Tausendschön
er.
Seine Worte fielen in die Stille. Sie hatte keine Ahnung, wovon er redete.
» Womit ich Ihnen helfen kann, Therese, ist: juristischer Beistand und eine Kontaktperson hier in der Botschaft. Aber wenn Sie sich nicht unmittelbar der thailändischen Polizei stellen, dann wird sich Ihre Situation entscheidend verschlechtern. Sie haben es sich schon sehr schwer gemacht, indem Sie einem Beamten gegenüber eine falsche Identität angegeben haben.«
Wieder wurde es still, und die Gedanken sausten wie wild gewordene Vögel in ihrem Kopf herum.
» Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht«, flüsterte sie, obwohl sie zum ersten Mal das Ausmaß ihres Problems zu erfassen begann. » Und ich heiße auch nicht Therese …«
Andreas Blom zog ein Papier vom Schreibtisch und legte es vor sie hin.
» Ist das hier eine Kopie der Anzeige, die Sie gestern bei der Polizei erstattet haben?«
Verschüchtert zog sie ihre eigene Kopie hervor und verglich die beiden Blätter. Es war derselbe Vorgang.
» Aber das hier ist nicht Ihr Name«, sagte er und zeigte auf das Blatt.
» Doch, natürlich«, erwiderte sie.
» Nein«, beharrte Andreas Blom, » das ist er nicht. Weil dies hier Ihr Name ist.« Er schob ihr ein neues Papier zu.
Sie starrte darauf, ohne richtig zu begreifen, was sie vor sich sah. Auf der Passkopie war ihr Bild. Doch die Personennummer und der Name stimmten nicht. Die Inhaberin jenes Passes hieß Therese Björk.
Das Zimmer fing an, sich zu drehen.
» Nein, nein, nein«, sagte sie. » Das bin nicht ich. Bitte, das muss sich doch klären lassen …«
» Das wird sich ganz wunderbar klären lassen«, sagte Andreas Blom entschieden. » Dies hier ist Ihr Pass, das sind Sie. Ich habe sowohl die Polizei als auch die Steuerbehörde angerufen und es überprüft. Dies hier sind Sie, Therese. Und dieser Pass ist zusammen mit all Ihren Sachen in dem Hotel gefunden worden, in dem Sie gewohnt haben: im Hotel Nana. In dem Zimmer, das Sie verlassen haben, kurz bevor die Polizei eine Razzia in dem Hotel vornahm, bei der man in Ihrem Gepäck ein halbes Kilo Kokain gefunden hat.«
Die Übelkeit traf sie mit Wucht, und sie fürchtete, sich auf den Fußboden übergeben zu müssen. Alles, was Andreas Blom danach sagte, erreichte sie nur noch in Fragmenten. Sie hatte große Schwierigkeiten, die Information zu einem Ganzen zusammenzufügen.
» Unter uns gesagt, haben Sie eine gute Chance vor Gericht, wenn Sie sich erstens so schnell wie möglich stellen und zweitens angeben, wer Sie vor der Razzia gewarnt hat. Das sind zwei recht einfache Sachen.« Er hielt zwei Finger hoch, um zu unterstreichen, wie leicht es wäre.
Sie wand sich, ließ den Tränen freien Lauf. » Warum sollte ich denn zu Ihnen kommen, anstatt das Land zu verlassen, wenn ich mir all das hätte zuschulden kommen lassen?«, fragte sie ungläubig.
» Weil das hier Thailand ist«, sagte er, » und Sie genauso gut wissen wie ich, dass es für Sie keinen Weg aus diesem Land hinaus gibt.«
Stockholm
Die Nacht war von neuen Albträumen beherrscht gewesen. In den Träumen wurde sie nicht länger gejagt, sondern war an einem Baum festgebunden und von Männern in Kutten umringt, die ihr böse wollten. Fredrika Bergman verstand nicht, woher diese absurden Vorstellungen stammten. Sie erinnerten an nichts, was sie je erlebt oder wovon man ihr je erzählt hatte. Sie hasste es, Nacht für Nacht schweißgebadet und den Tränen nahe von ihrem eigenen Schreien wach zu werden. Und müde war sie. So wahnsinnig müde.
Nichtsdestotrotz ging sie zur Arbeit. Zu Hause zu sitzen, kam nicht infrage.
» Wie geht es dir?«, fragte Ellen Lind mit besorgter Miene, als sie sich in der Teeküche begegneten.
Fredrika versuchte nicht einmal zu lügen. » Richtig mies, um ehrlich zu sein«, bekannte sie. » Ich schlafe verdammt schlecht.«
» Aber dann solltest du doch nicht hierherkommen«, sagte Ellen. » Willst du nicht zu Hause bleiben und dich ausruhen?«
Fredrika schüttelte stur den Kopf. » Ich bin ohnehin schon genug zu Hause«, sagte sie müde, » ich bin lieber hier.«
Und Ellen fragte nicht weiter. Doch ebenso wie alle anderen fragte sie sich, was Fredrika sich wohl gedacht hatte, wie es werden würde, ein Kind zu erwarten und dabei meist allein zu sein und es dann auf die Welt zu bringen, ohne den Vater dazu in der Nähe zu haben.
Fredrika hatte ein schlechtes Gewissen, dass immer Ellen es war, die Fragen stellte, und niemals sie selbst. Sie selbst fragte nie, wie es Ellen ging oder
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