Tausendschön
möglicherweise kein Selbstmord war?«
» Ja«, sagte Joar, » aber wir sind nicht sicher.«
» Gut«, sagte Agne Nilsson und sah sie an, » denn verdammt, ich sage Ihnen, seine Frau und sich selbst zu erschießen – keiner von uns glaubt, dass Jakob das getan hat.«
Joar legte den Kopf schief. » Manchmal sind die Menschen anders, als sie sich nach außen geben.«
Kurz nach dreizehn Uhr drang die Nachricht über die Website einer der Abendzeitungen an die Öffentlichkeit: » Erschossenes Pfarrerpaar: Polizei vermutet Verbindung zu Rechtsradikalen!«
» Verdammte Scheiße!«, brüllte Alex Recht und schlug mit der Faust auf die Schreibtischplatte. » Wie ist das durchgesickert?«
Im Grunde war die Frage hinfällig, es passierte immer wieder, dass Informationen aus den Vorermittlungen nach außen drangen. Doch dieses Mal meinte Alex, sich besonders angestrengt zu haben, dies zu verhindern. Und um ehrlich zu sein, war es nur eine Handvoll Personen, die von der neuen Spur in den Ermittlungen wusste.
» Die Leitungen klingeln heiß«, klagte Ellen, die an seinem Zimmer vorbeikam. » Womit sollen wir rausgehen?«
» Mit nichts!«, schimpfte Alex. » Im Moment noch mit gar nichts! Haben wir Johanna Ahlbin gefunden?«
Ellen schüttelte den Kopf. » Nein.«
» Und warum nicht?«, stöhnte Alex. » Wo ist die Frau bloß?«
Er mochte kaum auf den Bildschirm sehen, von dem ihn nun Fotos von Jakob Ahlbin anstarrten. Jetzt war alles draußen, es gab keine Möglichkeit mehr, der jüngsten Tochter die Tragödie persönlich mitzuteilen. Das Einzige, was die Journalisten zurückgehalten hatten, waren die Namen und die Bilder der Töchter.
Wenigstens haben wir es versucht, dachte Alex müde.
Ellen hatte hart daran gearbeitet, Johanna ausfindig zu machen. Von ihrem Arbeitgeber und von Kollegen hatte sie Namen und Nummern von Freunden erhalten, die möglicherweise wussten, wo sie sich aufhielt, doch niemand hatte Ellen sagen können, wo Johanna war, wie es ihr ging oder ob sie bereits von der Tragödie wusste.
» Schrecklich, eine solche Nachricht auf diese Weise zu erfahren«, sagte Alex leise.
» Wir haben unser Bestes gegeben«, erwiderte Ellen und sah traurig aus.
» Ja, das haben wir.« Alex wandte sich von dem Computer ab.
» Ich habe übrigens diese Papiere hier aus der Technik bekommen«, sagte Ellen und legte eine Plastikhülle auf seinen Schreibtisch. » Es sind Auszüge von Vorträgen, die sich auf der Festplatte von Ahlbins Computer befanden.«
» Etwas von Wert dabei?«
» Nein, ich glaube nicht. Aber der Name, der auf dem Notizblock steht, könnte interessant sein. Ich weiß es natürlich nicht sicher.«
» Auf dem Notizblock?«, murmelte Alex und nahm die Papiere aus der Mappe.
Er fand ihn ganz zuunterst. Ein diskret beigefarbener kleiner Block, auf dem nur » Muhammed« stand – und eine Handynummer.
» Wo haben sie den gefunden?«, fragte Alex.
» In einer verschlossenen Schublade in seinem Schreibtisch. Unter dem Stiftefach.«
Also scheinbar etwas, das er versteckt hatte, nahm Alex an. Vielleicht war Muhammed ein Flüchtling, zu dem er eine persönliche Beziehung hatte, oder war es eine Person, die ihn aus anderen Gründen aufgesucht hatte?
» Haben wir die Telefonnummer in unserem Register geprüft?«, fragte Alex.
» Das habe ich vorhin getan«, erwiderte Ellen und sah zufrieden aus. » Und es gab einen Treffer: die Verlustmeldung für einen Pass und den vollständigen Namen mitsamt Adresse des Mannes.«
Sie reichte ihm ein weiteres Blatt Papier.
Alex erwiderte ihr Lächeln.
» Er ist nicht vorbestraft«, beeilte sich Ellen zu sagen und machte dann kehrt, weil ihr Handy klingelte.
Alex überlegte, wie er weiter verfahren sollte. Er sah auf den Zettel mit Namen und Nummer und dann auf die Plastikmappe. Und dann studierte er die Verlustanzeige, die Ellen für ihn ausgedruckt hatte. All diese Pässe, die » verschwanden«. Ohne die würde der Flüchtlingsstrom versiegen, das wusste Alex.
Wir haben Europa in eine Festung verwandelt, in ein verdammtes Fort Knox, dachte er verärgert. Und das alles zu dem Preis, dass wir nun die Kontrolle darüber verloren haben, wer ins Land herein- und wieder hinauskommt. Das ist unwürdig, und zwar für alle Beteiligten.
Er ließ den Blick aus dem Fenster schweifen. Klarblauer Himmel und strahlende Sonne und nur noch wenige Stunden bis zum Wochenende.
Er blinzelte. Nie im Leben würde er es aushalten, das ganze Wochenende zu Hause zu verbringen, wo
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