Tausendschön
Lena sich wie eine Fremde benahm. Sie war irgendwie unnahbar geworden. Aus Gründen, die er nicht in Worte zu fassen vermochte, spürte er, dass er nicht mit ihr darüber reden konnte, was geschehen war oder wie er die Situation erlebte.
Aber warum nicht?, fragte sich Alex. Wir konnten doch sonst immer über alles reden.
Vielleicht sollte er es einfach versuchen. Vielleicht. Aber ganz abgesehen davon würde er an diesem Wochenende ganz sicher auch ein paar Stunden arbeiten müssen.
Zuerst sah es ganz danach aus, als würde die Woche so mies enden, wie sie angefangen hatte. Peder Rydh wurde abkommandiert, die Einzelverbindungsnachweise zu sichten, die die Polizei sowohl von der Telia als auch vom Mobilfunkanbieter Jakob Ahlbins bekommen hatte, während Joar gemeinsam mit Fredrika mit Agne Nilsson sprechen durfte. Peder wäre vor Wut fast in die Luft gegangen, doch dann erfuhr er, dass er für das Verhör mit Tony Svensson vorgesehen war, das am Nachmittag stattfinden sollte, und er beruhigte sich wieder.
Als er die Einzelverbindungsnachweise durchging, fühlte er sich geradezu aufgeräumt. Jedes Mal wenn er mit einer Abhör- oder Überwachungsaktion zu tun hatte, faszinierte es ihn aufs Neue, wie unglaublich viele Telefonanrufe ein Mensch täglich tätigte. Meist konnte man gewisse Muster erkennen, zum Beispiel die Gespräche zwischen Eheleuten, die sich an manchen Tagen zwei Mal und an anderen gar nicht anriefen. Aber es gab auch eine Menge anderer Nummern und Kontakte zu analysieren, zum Beispiel diejenigen, die zunächst aus zeitlichen Gründen unglaublich interessant schienen, sich dann aber bei näherer Kontrolle des Anschlusses als örtliche Pizzeria und dergleichen entpuppten.
Im Fall von Jakob Ahlbins Telefon und seinen möglichen Kontakten zu Tony Svensson landete Peder im Handumdrehen einen Treffer. Er grinste breit.
Jakob Ahlbin hatte von Tony Svensson drei Anrufe erhalten. Es waren jedes Mal kurze Verbindungen gewesen; Peder nahm an, dass Svensson direkt auf Ahlbins Anrufbeantworter gelandet war. Die Nachrichten selbst würden sie nicht wiederherstellen können, aber allein die Tatsache, dass Svensson den direkten Kontakt gesucht hatte, war schon Indiz genug.
Eilig verließ er sein Büro und ging zu Alex hinüber. Auf der Schwelle zögerte er plötzlich. Sein Chef sah noch abweisender aus als sonst.
Peder räusperte sich diskret.
» Ja?«, fragte Alex barsch, wurde dann aber sanfter, als er sah, wer in der Tür stand. » Ach, du bist es. Komm rein.«
Erleichtert trat Peder ins Zimmer und berichtete.
» Gut«, sagte Alex, » sehr gut. Zimmere daraus so schnell wie möglich ein Papier für den Staatsanwalt. Ich will, dass wir diesen Typen noch vor dem Wochenende wegen Nötigung drankriegen. Vor allem jetzt, da der ganze Mist in den Medien ist.«
Peder fühlte, wie sich Wärme in ihm ausbreitete. Er war also doch noch nicht völlig kaltgestellt. Doch mit der Wärme kam der Stress. Wer von ihnen hatte die Verbindung zu den Rechtsradikalen an die Presse durchsickern lassen?
Als er eben den Raum verlassen wollte, rief Alex ihn zurück. » Hast du noch kurz Zeit?«
Es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Noch ehe er sich hingesetzt hatte, wusste Peder, was Alex auf dem Herzen hatte. Doch die Art, wie er sich auszudrücken entschied, war eine totale Überraschung.
» Solange ich hier der Chef bin, ist an diesem Arbeitsplatz ein Zimtröllchen ein Zimtröllchen und nichts anderes.« Er betonte dabei jede Silbe.
Jetzt sterbe ich, dachte Peder. Ich sterbe vor Scham, und ich habe es verdammt noch mal verdient.
Er wagte kaum, Alex anzusehen, der unbarmherzig fortfuhr: » Und wenn es jemandem von meinen Leuten aus privaten oder anderen Gründen so schlecht geht, dass er ein Backwerk nicht von etwas anderem zu unterscheiden weiß, dann erwarte ich von dem Betroffenen, dass er die Dinge in Ordnung bringt.«
Er schwieg und sah Peder direkt in die Augen.
» Verstanden?«
» Verstanden«, flüsterte Peder, der sich unwillkürlich fragte, ob er je wieder hier würde arbeiten können.
Sie trafen sich im Wohnzimmer des Älteren. Es war das dritte Treffen in wenigen Tagen, und eigentlich fühlte sich keiner von beiden gut dabei, den anderen zu sehen. Doch im Hinblick auf die jüngsten Ereignisse war es notwendig.
» Wir wussten, dass es Aufruhr geben würde«, sagte der Jüngere. » Kein Wunder, wenn ein Pfarrer Selbstmord begeht.«
Es hatte keinen Sinn, ihm zu widersprechen. Es war eine Sache, eine
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