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Tausendschön

Tausendschön

Titel: Tausendschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ohlsson
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Forex-Überfall war der jüngste in einer ganzen Serie schwerer Raubüberfälle, die in Stockholm und Umgebung stattgefunden hatte.
    Mit einem Mal fühlte Fredrika sich putzmunter, so als hätte sie nur dadurch, dass sie einen Anruf getätigt hatte, eine große Tat vollbracht. Jetzt war es keine Frage mehr, wer sich mit dem Fall des unbekannten Mannes zu befassen hatte. Er gehörte der Kripo, die in der Raubserie ermittelte. Ein Lächeln spielte über ihr Gesicht, als sie bei ihrem Chef anklopfte.
    Nachdem Alex erfahren hatte, wie einfach er sich dieses Falles würde entledigen können, ging ihm die Arbeit umso leichter von der Hand. Sowie die Angelegenheit der Kripo übertragen worden wäre, würde auch Fredrika sich auf den anderen Fall konzentrieren können. Es ging auf elf Uhr zu, und schon bald sollte sie zusammen mit Joar den Vertreter der Neonazi-Aussteigergruppe, Agne Nilsson, treffen.
    Kurz vor dem Termin klopfte Joar an ihre Tür. » Bist du fertig?«, fragte er mit einem höflichen, ein wenig steifen Lächeln, das, wie Fredrika feststellte, nichts, aber rein gar nichts offenbarte. Das Lächeln saß einfach da in seinem Gesicht, als wäre es auf eine Maske aufgemalt. Sie überlegte, was sich wohl hinter dieser Maske verbergen mochte. Joar trug keinen Ring, aber vielleicht hatte er eine Lebensgefährtin. Ob er auch Kinder hatte? Wohnte er in einem Haus oder in einer Wohnung? Fuhr er mit dem eigenen Auto oder mit dem Bus?
    Fredrika war nicht neugierig, aber das lag hauptsächlich daran, dass sie so gut darin war, andere Menschen zu lesen. Oft musste sie nicht einmal fragen. Die meisten Sachen standen den Leuten ins Gesicht geschrieben, ohne dass sie selbst sich dessen bewusst wären oder es fühlten.
    Wer lesen kann, weiß mehr, pflegte ihre Mutter zu sagen. Und das war wirklich wahr, wie Fredrika immer wieder feststellen konnte.
    Agne Nilsson stand am Empfang und wirkte verloren. Er sah ganz und gar nicht so aus, wie Fredrika ihn sich vorgestellt hatte. Klein und etwas gedrungen, mit schütterem Haar und blass. Aber die Augen! Sie ertappte sich dabei, wie sie ihn anstarrte. Die Augen waren hart und suchend, sie brannten vor Schärfe und Energie. Wie bei einem störrischen Kind, dachte sie, als sie ihm die Hand reichte und sich vorstellte.
    Sie bemerkte, dass er unwillkürlich auf ihren Bauch sah, doch er sagte nichts, und dafür war sie dankbar. Viele Leute meinten anscheinend, dass es in Ordnung wäre, einer schwangeren Frau den Bauch zu tätscheln, was man bei einer Frau, die kein Kind erwartete, niemals tun würde. Ein Tätscheln oder zärtliches Streicheln über den Bauch, mit einer Hand oder beiden. Fredrika bekam fast Panik, wenn sie einigen ihrer männlichen Kollegen auf dem Flur begegnete und deren suchenden Blick auffing. Sie hatte sogar schon erwogen, das Thema auf einer Personalversammlung anzusprechen, hatte aber bislang nicht die richtigen Worte dafür finden können.
    Sie gingen mit Agne Nilsson in eines der Besucherzimmer mit Fenster. Die Verhörräume ohne Fenster machten eine vernünftige Unterhaltung meist unmöglich. Menschen, die keines Verbrechens verdächtig waren, sollten auch nicht wie Verbrecher behandelt werden. Also lief Joar, um Kaffee zu holen, und Fredrika blieb mit Agne Nilsson zurück.
    » Vielleicht können Sie uns etwas mehr von Ihrer Gruppe erzählen«, eröffnete Joar das Gespräch, als er wieder da war.
    Agne Nilsson sah aus, als wüsste er nicht recht, wo er anfangen sollte.
    » Es begann vor zwei Jahren«, sagte er schließlich. » Jakob und ich kennen uns allerdings schon viel länger. Sind im selben Viertel aufgewachsen.« Er lächelte wehmütig.
    Wie schon so oft, sei auch dieses Projekt die Idee von Jakob Ahlbin gewesen. Es habe damit angefangen, dass er sich nach einem seiner Vorträge mit einem Jungen unterhalten hatte, der im Vortragssaal zurückgeblieben war. Er war wie die meisten anderen Jugendlichen gekleidet, doch sein rasierter Schädel und eine Reihe von Tätowierungen hatten offenbart, wes Geistes Kind er war.
    » Sie müssen bloß nicht glauben, dass das so verdammt leicht ist«, hatte er zu Jakob gesagt. » Sie stehen da und reden davon, wie es den Einwanderern geht und wie wir anderen uns zu verhalten haben, aber verdammt, oft hat man doch gar keine Wahl! Das sollten Sie sich mal klarmachen!«
    Es war der Anfang eines langen Gesprächs gewesen. Der Junge hatte Angst und war unglücklich. Schon als Vierzehnjähriger war er durch seinen großen Bruder in

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