Tausendschön
Sundelius.«
» Gehen wir«, sagte Alex. » Den Psychiater rufe ich von unterwegs an.«
Erik Sundelius ging schon beim zweiten Klingeln ran. Alex entschuldigte sich höflich, dass er am Samstagmorgen anrief und noch dazu vor zehn Uhr. Viele Menschen waren am Wochenende um diese Uhrzeit sicher noch nicht einmal aufgestanden.
Doch Erik Sundelius klang erleichtert. » Endlich«, brach es aus ihm heraus, » sowie ich wieder zu Hause war und die Zeitungen gesehen habe, habe ich versucht, Sie zu erreichen. Ich hoffe, dass wir uns persönlich treffen können. Doch eins möchte ich schon vorneweg sagen.«
Alex wartete.
» Ich bin seit über zwölf Jahren für die Behandlung von Jakob Ahlbin verantwortlich«, sagte Erik Sundelius und holte Luft. » Und es gibt, ehrlich gesagt, nicht den Funken einer Wahrscheinlichkeit, dass er das getan haben könnte, was die Zeitungen schreiben. Er hätte niemals sich selbst oder seine Frau erschossen. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort als Fachmann.«
Zum ersten Mal seit vielen Monaten erwachte Fredrika Bergman ausgeruht schon gegen sieben Uhr früh. In der vergangenen Nacht hatte sie nicht einen einzigen Albtraum gehabt. Spencer schlief neben ihr, und auf dem Fußboden lag in ihrem Kasten die gestimmte Geige. Es war in vielerlei Hinsicht ein gesegneter Morgen.
Er sah gut aus, wie er da lag. Selbst aus ihrer Perspektive konnte sie sehen, dass er ungewöhnlich groß war. Das graue Haar, das sonst zu einer perfekten Frisur gekämmt war, war jetzt ein wildes Durcheinander.
Sie kroch unter die Decke und schob sich ganz dicht an seinen warmen Körper. Der Magen krampfte sich ihr zusammen, wenn sie an das anstehende Abendessen mit ihren Eltern dachte. Spencer hatte eingewilligt mitzugehen.
» Es ist eine Zeit der Prüfungen«, hatte er noch gemurmelt, ehe sie eingeschlafen waren.
Als lastete das Joch Hiobs auf seinen Schultern.
Fredrikas Gedanken wanderten unwillkürlich zu ihrer Arbeit und dem Fall der Eheleute Ahlbin. Sie musste an die allerletzte E-Mail denken, die Jakob Ahlbin wenige Tage vor seinem Tod erhalten hatte.
» Vergiss nicht, was Hiob widerfuhr! Man kann immer noch bereuen und das Richtige tun. Hör auf zu suchen!«
Erleichtert darüber, dass die Gedanken an ihre Eltern von den beruflichen zurückgedrängt worden waren, stand sie vorsichtig aus dem Bett auf. Obwohl sie hochschwanger war, bewegte sie sich immer noch sehr geschmeidig, das lag ihr einfach im Blut.
Das Kind streckte sich in stillem Protest gegen die unerwarteten Bewegungen der Mutter.
Mit ihrer Goldprägung auf dem roten Buchrücken stand die Bibel gut sichtbar im Bücherregal. Fredrika war erstaunt, wie schwer sie in der Hand lag. Sie setzte sich und begann zu blättern. Hiob, der Mann mit einem eigenen Buch in der Bibel.
Der Text war, wie sich herausstellte, eine Herausforderung. Er war lang und auf eine Weise geschrieben, die eine stete Interpretation verlangte. Die Geschichte selbst jedoch war einfach. Gott hatte Hiob als frömmsten Menschen gepriesen. Als der Teufel behauptete, es wäre für Hiob ja keine große Kunst, rechtschaffen zu sein, da Gott ihn so gut gestellt hatte, erlaubte Gott dem Teufel, Hiob zu prüfen und ihn sowohl seines Reichtums als auch seiner Gesundheit und aller seiner zehn Kinder zu berauben.
Himmel. Das Alte Testament war voll unbegreiflicher, grausamer Erzählungen.
Wie sich herausstellte, bestand Hiob die Prüfung. Für den einzigen leisen Zweifel angesichts der Motivation Gottes, den zu hegen er sich erlaubt hatte, bat er später um Verzeihung. Und dafür wurde er reich belohnt. Gott schenkte ihm doppelt so viel Hab und Gut, als er zuvor gehabt hatte, und zehn weitere Kinder für diejenigen, die er den Teufel hatte rauben lassen.
Ende gut, alles gut, stellte Fredrika trocken fest.
Sie rief sich wieder die Nachricht ins Gedächtnis, die Jakob erhalten hatte, ohne den anderen davon zu erzählen: » Man kann immer noch bereuen und das Richtige tun.«
Sie dachte angestrengt darüber nach, was das im Zusammenhang mit Hiob bedeuten mochte. Jakob Ahlbin war nicht so wie ich, dachte sie. Er brauchte die Bibel nicht aufzuschlagen, um zu verstehen, was der Absender der E-Mail ihm sagen wollte. Und derjenige, der die Nachricht schickte, hatte das gewusst.
Sie stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Die Frage war, wie vertraut der Absender selbst mit der Bibel war. Mit ein wenig Fantasie konnte man daraus ein Verhandlungsangebot ablesen. Bereuen. Das Richtige tun. Hiob hatte
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