Tausendundeine Nacht mit dir
zufrieden.
„Belle.“
Rafiqs schwaches Flüstern ließ sie aus ihrem Schock erwachen. Er kniete auf dem Boden, Blut tropfte aus einer Wunde an seiner Seite, an seinem Hals waren rote Würgemale zu sehen, die der Mann mit den Prankenhänden ihm zugefügt hatte. Schwankend richtete er sich auf.
„Rafiq!“ Mit einem erstickten Seufzer machte sie einen Schritt vor, die Arme ausgestreckt, um ihn zu stützen.
Da sah sie aus dem Augenwinkel die Bewegung. Es war der andere von Selims Männern. Langsam hob er seine Waffe und zielte auf Rafiq. Mit einem Aufschrei stürzte Belle vor und stieß Rafiq zur Seite.
„Nein!“
Ein ohrenbetäubender Schuss ertönte, und dann versank um Belle herum alles in tiefer Dunkelheit.
12. KAPITEL
Mit leerem Blick sah Belle sich in dem Krankenhauszimmer um. Was für ein seltsamer Zufall, dass man sie ausgerechnet in dasselbe Zimmer gelegt hatte. Déjà-vu. Nur, dieses Mal war sie keineswegs darauf erpicht, die Klinik zu verlassen.
Als sie das erste Mal hier gelegen hatte, hatte sie so schnell wie möglich wieder ihr Leben aufnehmen und das durchlebte Trauma hinter sich lassen wollen. Ihre Arbeit wäre das sichere Gegenmittel gewesen.
Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen. Wie anders doch alles gekommen war! Jetzt würde sie die Klinik nicht als ausländische Meeresarchäologin nach einer Entführung verlassen, sondern als Ehefrau von Scheich Rafiq Kamil Ibn Makram al Akhtar, regierender Fürst von Q’aroum.
Sie hatte keine Kontrolle mehr über ihr eigenes Schicksal. Ihr Leben war unabänderlich gebunden an Rafiq und sein Land.
Etwas in ihrem Innern rührte sich schwach, doch es saß so tief, dass es unwirklich blieb. Sie fragte sich, welches Gefühl sie eigentlich empfinden müsste. Sollte sie nicht aufgeregt sein, erwartungsvoll? Oder wenigstens nervös, weil sie nicht wissen konnte, was die Zukunft für sie bereithielt?
Doch sie fühlte gar nichts. Sie kam sich vor wie in einem Kokon, abgeschirmt vom Rest der Welt, getrennt von ihrdurch eine unsichtbare Mauer. Diese Mauer verhinderte jede Emotion, die sie doch eigentlich empfinden sollte.
Wahrscheinlich der Schock, sagte sie sich. Oder sie hatte einfach aufgehört, sich über Dinge zu ereifern, auf die sie so oder so keinen Einfluss hatte.
Nur bei ihrer Einlieferung, als das gesamte Ärzteteam an ihrem Bett stand und der Arzt ihr wiederholt versicherte, dass Seine Hoheit durchkommen würde, hatte sie diese unendliche Erleichterung verspürt. Der Dolch hatte keine lebenswichtigen Organe verletzt. Rafiq lebte. Er war in Sicherheit. Und dann hatte sie wieder die Augen geschlossen und war in die Bewusstlosigkeit zurückgesunken.
Als sie zum zweiten Mal aufgewacht war, fühlte sie sich miserabel. Verbände über ihrer Brust schnürten sie zusammen, dass sie kaum atmen konnte. Nur die wunderbaren Neuigkeiten über Rafiqs Genesungsprozess hatten ihr die Tortur erträglich gemacht. Eigentlich hätte sie sich auch darüber freuen müssen, dass von dem Schulterschuss mit der entsprechenden Behandlung kein Schaden zurückbleiben würde. Alle bestätigten ihr, wie viel Glück sie gehabt hatte. Auch Dawud, der sie regelmäßig besuchte, sprach immer wieder von ihrem immensen Mut und ihrem noch größeren Glück.
Mit ihrer Mutter hatte sie lange und ausführlich telefoniert. Als Krankenschwester verstand Maggie Winters natürlich genau, was die medizinische Terminologie bedeutete. Ihr trockener Kommentar lautete, dass Belle mehr Glück als Verstand gehabt haben musste, wenn sie sich einer Kugel in den Weg warf und so glimpflich davongekommen war.
Warum also fühlte sie nichts?
Mit einem Seufzer ließ sie den Blick über die vielen Blumenarrangements schweifen, die man ihr geschickt hatte, und die nun auf einem eigens herbeigeholten Regal nebendem Fenster standen. Und wie immer blieben ihre Augen auf dem Bouquet aus exotischen Orchideen haften.
„Von Seiner Hoheit“, hatte die Schwester ehrfürchtig geflüstert, als sie die Vase zuvorderst hinstellte.
Rafiq.
Belle wandte den Kopf und presste die Lippen zusammen. Zweimal hatte sie ihn seit dem Überfall gesehen. Er war hier gewesen, als sie das erste Mal aus der Bewusstlosigkeit aufgetaucht war. Hinter dem medizinischen Team hatte sie ihn zuerst nicht erblicken können, doch als sie den Arzt nach ihm fragte, hatte er sich einen Weg durch die Gruppe gebahnt und ihre Hand genommen. Bevor sie wieder in den Schlaf sank, erinnerte sie sich noch an das glühende Feuer in seinen
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