Tausendundeine Nacht mit dir
Augen und die wunderbare beruhigende Wärme seiner Finger an ihrer Haut.
Das zweite Mal war gestern Abend gewesen. Sein Gesicht sah härter aus, als sie es je bei ihm gesehen hatte. Mit tief gerunzelter Stirn und zusammengepressten Lippen hatte er dagestanden und auf sie heruntergeschaut. Zuerst hatte ihr Herz einen freudigen Sprung gemacht, doch diese Freude war genauso schnell verschwunden, wie sie gekommen war. Er hatte sie nicht berührt, stand einfach nur da, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, seine Miene absolut undurchdringlich. Er hatte sich nicht einmal einen Stuhl herangezogen, um sich zu setzen.
Auch sie hatte nicht versucht, die Hand nach ihm auszustrecken. Nicht, wenn er sie so ansah und mit ihr redete wie mit einer Fremden – höflich, aber distanziert. Er hatte ihr die baldige Entlassung in Aussicht gestellt und ihr mitgeteilt, dass man alles vorbereite, um ihre Mutter aus Australien herzufliegen. Zwar hatte er direkt mit ihr gesprochen, aber irgendwie war es ihm gelungen, ihrem Blick auszuweichen.
Und in jenen Augenblicken, während sie ihm zuhörte undihn anschaute, war etwas in ihr abgestorben. Mit kalter, aber nicht zu ignorierender Logik war ihr klar geworden, dass ihre Träume von der großen Liebe absolut albern gewesen waren.
Die Hochzeit war erzwungen worden. Sonst hätte Rafiq Belle niemals gewählt. Sie war nichts als das notwendige Übel eines politischen Schachzugs.
Seiner neutralen, unbeteiligten Stimme zu lauschen, wie er berichtete, dass die Missetäter von seinen Soldaten in der Oase gefasst worden waren und die Anklage vor Gericht bereits verhandelt wurde, machte Belle ihre Position sehr deutlich.
Die Umstände, die eine Ehe erforderlich gemacht hatten, existierten nicht länger. Der Scheich von Q’aroum brauchte Belle Winters nicht mehr.
Die ganze Nacht hatte sie wach gelegen und sich gefragt, wie wohl die Scheidungsgesetze in Q’aroum aussahen.
„Belle.“
Sie zuckte zusammen. Hatte sie ihn etwa mit ihren Gedanken herbeigerufen? Entsetzt stellte sie fest, dass seine Stimme sie selbst in diesem lethargischen Zustand erregen konnte.
Langsam hob sie den Blick, und dort stand er, überwältigend attraktiv wie immer. Die traditionelle Tracht betonte seine Aura von Macht – und seine Distanziertheit. Einen Augenblick lang erlaubte sie es sich, ihn sich mit offenen Haaren und bloßem Oberkörper vorzustellen, funkelndes Verlangen in den grünen Augen. Doch dann verdrängte sie diese unsinnigen Bilder. Das war ein Ausrutscher gewesen. Ein paar Stunden, die ihr die Welt bedeutet hatten, ihm aber nichts. Sie durfte nicht mehr daran denken.
„Hallo, Rafiq.“ Sie hielt ihre Stimme bewusst ruhig. „Bist du gekommen, um mich abzuholen und in den Palast zu bringen?“
Er hielt mitten im Schritt inne und sah sie fragend an. „Ich bin dein Mann. Wer sonst sollte dich nach Hause holen?“
Natürlich, es war seine Pflicht. Und Rafiq erledigte alle seine Pflichten mit ausgemachter Sorgfalt. Selbst wenn er dafür seine Zukunft in einer lieblosen Ehe opfern musste. Und ihre Zukunft.
Sie öffnete den Mund, wollte widersprechen, dass der Palast nicht ihr Zuhause war. Doch das wäre nur kindisch.
„Bist du bereit? Ist alles gepackt?“ Er trat hinter ihren Rollstuhl.
Unwillkürlich glitt ihr Blick zu dem Regal am Fenster. „Die Blumen …“ Albern, wie sehnsüchtig sie die Orchideen anstarrte. Dabei hatten ihre Mutter und Rosalie ihr wunderbare Lilien geschickt, und sie schaute auch nicht auf die vielen bunten Sträuße der unzähligen anderen, die ihr von Herzen eine gute Genesung wünschten.
„Sie werden nachgeschickt“, sagte er, schon während er den Stuhl vorwärts schob.
Ein Stich durchzuckte Belle, etwas wie Angst, das sichere Refugium der Klinik zu verlassen und mit Rafiq allein zu sein. Doch auch das war albern, und so hob sie tapfer das Kinn und lächelte der Krankenschwester zu, die die Tür aufhielt. Dann noch länger lächeln und häufiges freundliches Kopfnicken für all jene, die auf den Fluren und im Foyer warteten, um sich von ihnen zu verabschieden.
Rafiq bedankte sich bei allen für die kompetente Pflege seiner Frau, und dann standen sie auch schon vor dem Eingang, wo eine Limousine auf sie wartete. Belle stellte die Füße auf den Boden und wollte aufstehen, doch da beugte Rafiq sich vor und hob sie auf seine Arme.
„Rafiq, das solltest du nicht tun. Deine Verletzung …“ Sie glaubte ein Funkeln in seinen Augen zu erkennen, doch es verschwand
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