Tausendundeine Stunde
bleibt doch nur eine Schlussfolgerung, der Mann ist impotent. Jedenfalls habe ich ihm nicht geantwortet.“
Wir nickten zustimmend. Doris griff nach dem nächsten Brief und las ihn selbst vor: „Hallo Unbekannte! Auf der Suche nach einem neuen Glück habe ich Ihre Anzeige in der Tageszeitung gelesen. Dabei stellte ich nach intensivem Datenabgleich fest, dass wir in Größe, Gewicht und Hobbys zu einander passen täten.“
Sie machte eine Pause und fragte nach meiner Meinung zum bisher gehörten.
„Wahrscheinlich ist er ein Computerfreak, der festgestellt hat, dass ihr kompatibel seid.“
Doris grinste und las weiter: „Um das festzustellen schlage ich vor, dass wir uns recht schnell treffen sollten. Passt es Ihnen am nächsten Montag um 20:00 Uhr? Rufen Sie mich an, Gruß Heinrich.“
Nele blies ihre Wangen auf, sie war entrüstet: „Der packt den Stier bei den Hörnern. Bei dem hättest du sicher nichts zu lachen gehabt. Das ist ein Kontrollfreak, der dich an der kurzen Leine gehalten hätte. Du hast ihm hoffentlich nicht geantwortet?“
Doris schüttelte heftig den Kopf und drückte Caroline den nächsten Brief in die Hand: „Das ist mein Favorit.“
Es war der Brief von einem Fahrradverkäufer, der in der Einleitung eine Seite lang die Wichtigkeit des Fahrrades als Fortbewegungsmittel im Allgemeinen und im Besonderen abhandelte. Wir stellten uns vor, wie Doris mit Hilmar, so hieß der Fahrradverkäufer, mit dem Tandem durch die Welt radelte und wälzten uns vor Lachen auf dem Boden.
„So verklemmt wie dieser Mann schreibt, glaubt er bestimmt, dass die Klitoris eine ähnliche Funktionsweise wie der Dynamo eines Fahrrads hat. Ich fürchte, er ist ein einsamer Radler“, kommentierte ich und fügte hinzu: „das wird er wohl auch bleiben.“
Endlich hatten wir uns beruhigt und stellten fest, dass man mit einem Mann niemals so viel Spaß haben konnte. Überhaupt Männer: Über nichts und niemanden konnte man so ausgiebig herfallen, wie über Männer. Doris verließ den Raum und kam mit einem metallenen Gegenstand wieder. Den stellte sie auf den Tisch und sagte: „Das ist der Beweis für die Fantasielosigkeit von Männern.“
Caroline griff danach und mutmaßte, dass es sich bei dem Stück um abstrakter Kunst handelte. Wir anderen schlossen uns ihrer Meinung an. Nur Doris schüttelte den Kopf und klärte uns auf, dass es sich bei diesem Teil um ein Geburtstagsgeschenk von einem Verflossenen handelte und dass es eine Eierguillotine sei.
Wie aus einem Mund fragten wir drei: „Was ist eine Eierguillotine?“
Sie klärte uns gönnerhaft auf: „Das ist ein Ding, womit du Eier enthaupten kannst. Also, im Grunde genommen ebenso entbehrlich wie Männer.“
Nach diesem Statement verabschiedeten wir uns voneinander und nahmen uns vor, am kommenden Wochenende gemeinsam in eine Karaoke-Bar zu gehen.
Whisky war wieder pikiert. Als ich ihn auf den Arm nahm und gut zuredete drehte er den Kopf zur Seite. Das kann aber auch an Neles Giftgemisch gelegen haben und dem damit verbundenen Mundgeruch. Vermutlich hatte ich ihn damit betäubt, denn wenige Minuten später rollte er sich zusammen und schlief sofort ein.
Pünktlich halb sieben weckte er mich, denn sein Futternapf war leer. Wie in Trance schleppte ich mich in die Küche, füllte seinen Napf und schlurfte ins Bad. Ich beschloss, den Spiegel den Rest des Tages zuzuhängen, denn ich sah fürchterlich aus. Draußen regnete es in Strömen, umso gemütlicher fand ich es im Bett. Irgendwann, gegen Mittag, kam ich zu mir. Von Kreislauf konnte keine Rede sein. Es war ein Flatterlauf.
Hier half nur eins: duschen, Kaffee mit einem Schuss Zitrone und nur ganz sachte Bewegungen. Am besten gar keine. Den Rest des Tages verbrachte ich auf dem Sofa, mit meinem Kater und dem Telefon. Zuerst machte ich einen Rundruf bei den Mädels. Denen ging es ähnlich wie mir. Trotzdem waren wir uns einig, dass es ein gemütlicher Weiberabend gewesen war, den wir unbedingt bald wiederholen sollten. Allerdings bei Softdrinks. Mein nächster Anruf galt meinen Kindern. Denen ging es gut. Nichts Neues, alles bestens. Leon war nicht da. Vermutlich spielte er Fußball oder er war bei Mutti oder auch schwer verkatert.
Ich hatte ihm auf dem Anrufbeantworter einen Spruch hinterlassen.
Endlich bekam ich Hunger. Ich entschied, dass eine leichte Brühe wohl das Beste wäre. Leider hatte ich keine im Haus. Im Kühlschrank fand ich ein Glas mit Rollmöpsen und beim Anblick des Glases lief mir
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