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Tausendundeine Stunde

Tausendundeine Stunde

Titel: Tausendundeine Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Suckert
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etwas ganz Besonderes. Ich finde, wir sollten uns endlich duzen.“
    „Einverstanden, duzen wir uns. Allerdings kann ich deine Gedanken nicht nachvollziehen. Wir kennen uns persönlich gar nicht und du entwickelst Gefühle für mich?“
    „Ja natürlich, denn bei mir geht Liebe zunächst durch den Kopf. Ich glaube, dass wir seelenverwandt sind. Ich hatte noch nie zuvor einen Mann kennengelernt, mit dem ich mich emotional so stark verbunden fühlte. Was empfindest du für mich?“
    „Ich kann dir diese Frage nicht beantworten. Komm im September her, plane dir eine Woche ein. Ich werde mir auch Urlaub und viel Zeit für dich nehmen. Danach kann ich dir sagen, was ich empfinde. Danach werden wir wissen, ob etwas wachsen kann. Hast du Lust mit mir eine Ausstellung über Picasso zu besuchen?“
    „Neben dir an meiner Seite habe ich zu allem Lust.“
    Dietrich erzählte mir etwas von Picassos blauer Phase und der in Rosa und von Dora Mar, Picassos Geliebter, die er wohl in den Wahnsinn getrieben hatte, zumindest aber in die Verzweiflung. Insofern waren alle Männer Picassos, nur eben nicht so talentiert.
    „Ich werde dich verwöhnen, Bella“, das sprach er mit italienischem Akzent und es klang einfach wunderbar. Er gurrte wie ein Täuberich, fragte mit sanfter Stimme: „Liebst du Süßigkeiten, Süßes?“
    Nachdem er wusste, dass ich mich für Marzipan und Nougat vierteilen lassen würde, versprach er, aus einer ganz besonderen Konfiserie eben dieses zu besorgen.
    „Oh, was gäbe ich dafür, wenn du schon jetzt hier wärst, Kleines.“
    Dieses „Kleines“ gab mir so eine Art Adrenalinstoß. Mein Herz fing an zu rasen und wahrscheinlich stieg auch mein Blutdruck. „Kleines“ das signalisierte mir, dieser Mann will mich beschützen, der will für mich da sein. Glückselig gluckste ich in den Hörer: „Ja, ich wäre jetzt auch gern bei dir. Schschsch. Siehst du, ich bin durch die Leitung gekommen. Nimm mich in deine Arme und halte mich fest. Ganz fest und lass mich nie mehr los.“
    „Ja, da bist du. Und wie schön du bist. Oh, wie du dich anfühlst, so weich und zart und wie du duftest. Einfach aufregend.“
    Dann sagte er eine Weile nichts mehr.
    „Dietrich, bist du noch da?“, fragte ich leise. „Dietrich?“ wiederholte ich. Dietrich war noch da und seufzte tief.
    „Nein, ich lasse dich nicht mehr los. Es tut mir gut, deine Nähe zu spüren. Gerade heute.“
    „Warum gerade heute?“, fragte ich.
    „Es gab in meinem Leben eine Frau, die hatte ich sehr geliebt. Heute vor einem Jahr verließ sie mich. Seit dem fühle ich mich zerrissen.“
    „Redest du von deiner geschiedenen Frau?“
    „Nein, ich rede von Veronika. Sie ist so einzigartig.“
    Ich fühlte in meinem Herzen einen Stich. Dietrich hatte mit seiner verklärten Erinnerung an diese Veronika mein Ego angestachelt. Ich zog sämtliche Register. Schließlich hörte ich ihn am anderen Ende der Leitung schwer atmen. Erst langsam, dann immer schneller.
    „Schlaf gut“, gluckste er zufrieden in den Hörer.
    „Du auch“, antwortete ich, allerdings längst nicht so zufrieden wie er.
     
    Am nächsten Tag hatte mich Leon ins Kino eingeladen. Danach schlief ich bei ihm. Brötchen hatte er wieder keine da und der Kaffee war abermals zu dünn.
    „Was hältst du davon, wenn du beim nächsten Mal mit zu mir kommst?“
    Bei dieser Frage hob sich seine Augenbraue in die Höhe. Und da sich seine Stirn runzelte, vermutete ich, dass ich die falsche Frage gestellt hatte.
    „Ich meine nur, dass ich uns ein schönes Frühstück zaubern könnte, ich hätte auch Wäsche zum Wechseln da und meine Kosmetika und mein Kater nimmt mir das auch immer übel.“
    Nun glich seine Stirn einem Wellblech.
    „Es gibt kein nächstes Mal?“, fragte ich verunsichert.
    Leon beruhigte mich. Es würde ein nächstes Mal geben, aber eben nur nach seinen Spielregeln. Denn erstens würde er am Sonntagmittag immer zu Mutti fahren, zweitens könnte ich ja meine Sachen in meiner Handtasche unterbringen, denn so ein Slip nehme schließlich nicht viel Platz ein und außerdem hätte er eine ausgeprägte Allergie gegen Katzen. Nachdem das gesagt war, machte er sich daran, die Tassen abzuwaschen und meinte, ich solle mich anziehen, denn er müsse gleich los. Er hatte es noch nicht ganz ausgesprochen, da rief Mutti auch schon an und teilte mit, dass die Klöße langsam zerkochten. Muttis Klöße hatten gewonnen. Ich fuhr mit der Straßenbahn nach Hause.
     
    Whisky hatte mir aus Protest vor

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