Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tausendundeine Stunde

Tausendundeine Stunde

Titel: Tausendundeine Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Suckert
Vom Netzwerk:
aus. An einem Sonntagmorgen rief ich ihn an.
    „Wollinger.“ Kein guten Morgen, hier spricht Wollinger.
    „Ich bin es, Juliane.“
    Er schien überrascht. „Juliane? Schön, dich zu hören.“
    Ich war unsicher, mein Herz raste.
    „Na, was macht dein Leben?“, fragte ich und war bemüht, möglichst cool zu klingen.
    „Ach ja, mein Leben ist momentan etwas hektisch. Wir haben einen Großauftrag in Würzburg. Kennst du Würzburg? Eine phantastische Stadt.“
    Wir plauderten über Alltagsprobleme und ich stellte fest, dass mir das gefehlt hatte und genoss es. Irgendwie ging mir an diesem Tag alles viel leichter von der Hand. Ich war mir sicher, dass ich Dietrich für mich gewinnen würde. Wir telefonierten nun wieder jeden Tag miteinander. Mehr oder weniger kurze belanglose Gespräche über die Tagesgeschehnisse, die Kinder, die Arbeit.
    Eines Abends rief er sehr spät an. „Ich habe mir ein neues Buch gekauft. Darf ich dir daraus vorlesen?“
    Es schilderte die Geschichte von zwei wildfremden Menschen, die ihre erotischen Phantasien am Telefon austauschten. Ich lauschte seiner Stimme, die beruhigend und wohlklingend war. Ich bewunderte seine ausdruckstarke Erzählweise, die mich ins Reich der Sinne führte.
    „Hat es dir gefallen?“, fragte er schließlich.
    „Ja, sehr. Wie heißt das Buch?“
    „Voices. Juliane, verfluche oder verdamme mich. Aber es ist deine Stimme, die mich in den Bann zieht. Schon beim ersten Mal, als ich deine Stimme hörte, wusste ich, du bist eine besondere Frau. Ich bin so froh, dass es dich gibt. Und es ist schön, dass ich jemanden habe, der an mich denkt. Ich brauche das.“
    Er machte eine Pause. „Was hast du an? Beschreibe es mir. Hm, ich denke an deinen knackigen Hintern.“
    Er atmete schwer. Ich kannte dieses Atmen.
    „Hör sofort auf damit!“, schrie ich ihn an: „Weißt du was? Ich glaube, du bist telefonsexsüchtig. Kriege dein Leben in die Reihe und rufe hier nie wieder an.“
    Ich war außer mir, Tränen der Wut schossen in meine Augen. Ich strich seine Telefonnummer mehrfach in meinem Telefonbüchlein durch und gestand mir ungern ein, dass Wollinger eine absolute Fehlbesetzung in meinem Mehrakter gewesen war.

Kapitel 7
     
    Mein Wandkalender hatte nur noch zwei Blätter. Wo war das Jahr geblieben? Mir wurde bewusst, dass ich schon wieder ein Single-Weihnachtsfest vor mir hatte. Wenn ich Glück hätte, würde sich vielleicht der Weihnachtsmann an meiner Tür verirren. Einer in meinem Alter und Single. Da saß ich nun in meiner Küche und wusste nichts mit mir anzufangen. Ich fühlte mich überdrüssig und aufgequollen. Kein Wunder, ich hatte eine Packung Dominosteine und ein Marzipanschwein in mich hineingestopft. Letzteres wollte ich eigentlich auf Neles Geschenk binden. Sie hatte in wenigen Tagen ihren vierundvierzigsten Geburtstag. Auch meine anderen Freundinnen waren um Jahre jünger als ich. Bei dieser Feststellung fiel ich nun in ein richtig tiefes Loch. Glücklicherweise klingelte das Telefon. Doris wollte wissen, ob ich kommenden Samstag Lust auf einen gemeinsamen Abend in unserer Karaoke-Bar hätte. Ich sagte zu. Ich freute mich auf meine Freundinnen, auf die immer Verlass war.
    Es erwies sich als durchaus nützlich, dass Doris unsere Plätze reserviert hatte. Diese Bar war wahrscheinlich der letzte Zufluchtsort für alle einsamen Herzen dieser Stadt. Nicht, dass wir uns einsam fühlten, denn schließlich hatten wir Freundinnen ja uns. Darauf stießen wir natürlich an. Insgeheim beschlich mich der Gedanke, dass eine jede von uns dennoch etwas vermisste.
    Nele hatte ein Techtelmechtel mit einem Iraker. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder. Auf jeden Fall würde er nie da sein, wenn sie ihn brauchte, sondern immer nur dann, wenn er dienstlich in Polen zu tun hatte. Sozusagen eine Liebe auf der Durchreise.
    Doris hatte sich kurzzeitig einen Kellner geangelt, ihm aber wieder den Laufpass gegeben. Der hatte sich geoutet und trug, um richtig glücklich sein zu können, Strapse und Nylons.
    Caroline hatte das Internet für sich entdeckt und tauschte sich im Chat gleichzeitig mit mehreren Männern aus. Natürlich ganz seriös. Insgeheim hoffte sie, dass spätestens zu Weihnachten ihr Martin wieder vor der Tür stehen würde. Und mir lag dieser Wollinger noch schwer im Magen.
     
    Eine dünn gehungerte Wasserstoffperoxydblonde bemühte sich „I Love to Love“ zu singen. Beim näheren Hingucken war ich mir sicher, dass sie die Fünfzig schon lange

Weitere Kostenlose Bücher