Taxi 503 (German Edition)
Nachmittag.
„Mama, ich komme morgen zurück, ist das okay?“, fragte sie sie freundlich.
„Ja“, murmelte Eva unbeteiligt. „Abby, du müsstest morgen einkaufen gehen. Wir haben kein Geld mehr im Haus.“
„Mache ich, klar“, schluckte Abby. Sie hatte doch so viel eingekauft und auch genügend Geld dagelassen, es war nicht schwer zu erraten, dass ihre Mutter und er die letzten Tage wohl nicht alleine gewesen waren. „Dann bis morgen, Mama“, verabschiedete Abby sich und drückte das Gespräch weg.
Marc hatte versucht, möglichst unbeteiligt auszusehen. Doch er hatte natürlich mitbekommen, dass zuerst jemand anderer in der Leitung war. Ein Mann, das hatte er hören können.
Also gab es jemanden im Leben ihrer Mutter.
Warum in aller Welt musste Abby dann für sie sorgen?
Marc dachte an das Gespräch zurück, das er bei seiner Recherche mit den beiden Streetworkern geführt hatte. Sie hatten ihm von den Lebensumständen der Leute im Viertel berichtet. Arbeitslosigkeit, Hartz IV, Alkoholismus, Drogenkonsum – das alles hatte er mit viel Interesse, aber auch mit genauso viel Abstand zur Kenntnis genommen. Nie hätte er geglaubt, dass diese Probleme auf einmal so nah sein würden.
Ein Grund mehr, Abby irgendwie dazu zu bewegen, da rauszukommen.
Sie liebte ihn, das konnte Marc spüren und das wollte er auch unbedingt glauben.
Das musste die Basis sein für alles, was die Zukunft bringen würde, und die wollte er nicht ohne Abby gestalten.
„Ist alles klar?“, lächelte er Abby zu.
„Ja, natürlich“, beeilte sie sich zu sagen. „Ich müsste morgen dann aber auf jeden Fall zeitig vor der Schicht zuhause sein.“
„Kein Problem“, beruhigte er sie und winkte ein Taxi heran.
Sie blieben den Rest des Abends bei ihm. Marc zeigte ihr die Fotos auf seinem PC, Abby saß auf seinem Schoß und konnte sich überhaupt nicht entscheiden, welches die schönsten Bilder waren.
Als die Aufnahme an die Reihe kam, wo er sie im Schlaf fotografiert hatte, sah sie ihn verdutzt an. „Hey“, gespielt wütend knuffte sie ihn in die Seite.
„Schau mal, wie schön du bist“, Marc küsste sie auf den Hals. „Im Schlaf siehst du wirklich aus wie ein Engel.“
„Na ja“, Abby runzelte nur die Stirn.
War sie schön?
Marc sagte es immer wieder, aber sie konnte das nicht sehen. Auch wenn Charlie ihr das sagte, konnte sie das nicht glauben.
Und eigentlich wollte sie das auch nie sein und es war ihr unangenehm gewesen – bis Marc in ihr Leben gekommen war. Bei ihm war eben alles anders.
’Du hast einen schönen Körper, Püppchen. Komm her zu mir und zeig mir, was du schon zu bieten hast.’
Hektisch verdrängte Abby die Erinnerungen. Sie schloss für einen Moment die Augen, hatte Angst, dass Marc etwas bemerken würde.
Abby hatte sich schnell wieder im Griff, sie schaute zu Marc, der auf den Monitor des PCs blickte, dann lächelte er sie an.
„Das Bild lasse ich mir vergrößern“, zwinkerte er ihr zu.
„Nein“, empörte sie sich, dann küsste sie ihn zärtlich. „Ich liebe dich, vergiss das nie“, flüsterte sie ihm zu.
„Nein, darauf kannst du dich verlassen“, lachte er leise, dann schaute er ihr lange in die Augen, sie war auf einmal so ernst.
„Dann ist ja gut“, Abby lächelte ihm jetzt zu.
Vielleicht hatte er sich das auch nur eingebildet.
„Ich würde lieber mit der U-Bahn fahren“, sagte Abby kläglich und schaute ihn bittend an.
„Abby, es ist doch selbstverständlich, dass ich dich nach Hause bringe“, Marc nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände. „Du hast mir doch gesagt wo du wohnst.“
„Aber es ist mir unangenehm“, startete sie einen neuen Versuch.
„Vor mir? Das muss es doch nicht. Abby bitte, es ist wirklich nichts dabei“, er hauchte ihr einen Kuss auf die Nasenspitze und griff nach ihrem Koffer. „Komm…“
Abby rutschte nervös auf dem Beifahrersitz herum. Je näher sie ihrem Zuhause kamen, umso mulmiger wurde es ihr. Sie fragte sich, was sie erwarten würde, und machte sich auf das Schlimmste gefasst. Die Hoffnung, dass sich mal jemand um die Wohnung gekümmert hatte, würde sich wohl nicht erfüllen. Ob seine Freunde auch wieder da waren?
Doch viel unangenehmer als das war es, dass Marc sie in ihr Viertel fuhr. Bisher hatte Abby immer streng in ‚seine’ und ‚ihre’ Welt getrennt – jetzt würde er das erste Mal sehen, wie sie lebte, und das passte irgendwie nicht zusammen – nicht in Abbys
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