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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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er fertig wurde. Dann fing der nächste an. Sie wechselten sich ab, ertrugen gegenseitig ihre unglaublich langweiligen Geschichten und erwarben damit das Recht, die eigenen loszuwerden. Endlich kamen ein paar Reisende aus dem Hauptbahnhof. Bei mir stieg eine Frau ein. Sie war etwa vierzig Jahre alt, trug ein elegantes graues Kostüm und hatte nur eine kleine Tasche dabei – ein schlechtes Zeichen.
    »Zum Atlantik-Hotel.«
    Ich fuhr los, bog in die Ernst-Merck-Straße. Ein Schweißtropfen bahnte sich seine Spur durch den Nikotinfilm auf meiner Stirn. Wahrscheinlich wusste die Frau einfach nicht, dass das Hotel gleich um die Ecke lag.
    »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts, dass es nur eine Kurztour ist«, sagt sie spitz. Sie wusste also ganz genau, was sie mir da gerade antat. Aber es genügte nicht, dass ich sie anstandslos hinchauffierte, nein, ich sollte auch noch so tun, als ob es mir nichts ausmachte.
    »Kommt halt mal vor«, sagte ich friedlich.
    Sie sagte nichts mehr, dafür war ja auch keine Zeit, weil wir bereits beim Atlantik vorfuhren. Aber das Schicksal meinte es nicht nur schlecht mit mir – am Hoteleingang warteten bereits zwei Männer in dunkelblauen Anzügen und mit blockartigen schwarzen Koffern. Eine Flughafentour, jede Wette. Und am Posten Atlantik stand kein Taxi. Der Portier in seiner Fantasia-Uniform hielt der Frau die Tür auf.
    »Dreizwanzig bitte«, sagte ich.
    Da brach es aus ihr heraus:
    »Sie sind die unhöflichste Taxifahrerin, die mir je begegnet ist. Ich finde Ihr Benehmen unmöglich. Übrigens sind Sie verpflichtet, Kurztouren anzunehmen.«
    »Ja, stimmt.«
    Ich wollte ihr auf keinen Fall irgendeinen Ansatzpunkt für eine längere Diskussion geben. Die Alte sollte aussteigen, und zwar schnell, bevor ein anderes Taxi kam und mir die Flughafen-Fahrgäste wegschnappte. Sie suchte ein Fünfmarkstück aus ihrem Portemonnaie.
    »Normalerweise gebe ich den Taxifahrern immer zehn Mark. Aber Sie waren einfach zu unverschämt. Eigentlich sollte ich Ihnen gar kein Trinkgeld geben. Aber da es wirklich eine sehr kurze Tour war, dürfen Sie den Rest trotzdem behalten.«
    Herrje, immer diese Erziehungsversuche durch Trinkgeldentzug. Normalerweise hätte ich ihr die Groschen vor die Füße geworfen, aber im Rückspiegel sah ich, dass sich ein Taxi näherte. Noch war es weit genug entfernt. Wenn das Weib mir jetzt endlich das Fünfmarkstück in die Hand drückte und ihren Hintern aus meiner Taxe hob, hatte ich vielleicht noch eine Chance.
    »Schreiben Sie mir eine Quittung.«
    Der Portier eilte nach vorn, um den beiden Business-Class-Fliegern den Schlag des gerade vorfahrenden Taxis aufzuhalten. Da ging sie hin, die Tour, die mir den Funken Lebensmut gegeben hätte, den ich so dringend brauchte, um die nächsten Stunden durchzuhalten. Ich schrieb die Rechnung und gab sie der Pissnelke.
    »Da steht ja: zweiunddreißig Mark. Wieso geben Sie mir eine Quittung über zweiunddreißig Mark?«
    Sie sah mich böse und misstrauisch an, aber dann kam ein gieriges Glitzern in ihre Augen, und sie steckte die Quittung in ihr Portemonnaie und stieg endlich aus. Am Posten Atlantik standen jetzt schon wieder drei Taxis.
3
    Als ich zum Glockengießerwalll zurückkam, reichte die Taxi-Warteschlange bis auf die Straße hinaus. Ich bog in die Mönkebergstraße ein. In den Schaufenstern nichts als warme Mäntel, Schals und Mützen. Und hier draußen diese Hitze. Vor Karstadt stand nur ein einziger Wagen. Sein Funkschild war ein Regenbogen in Plexiglas mit der Funknummer darunter. Der Fahrer, ein dünner, käseweißer Junge mit roten Haaren saß auf der Kühlerhaube und blinzelte in die Sonne. Die Luft waberte über dem heißen Asphalt. Einzelne Fußgänger schleppten sich von Schatten zu Schatten. Als ich hinter seinem Taxi hielt, kam der Rothaarige zu mir herüber.
    »Ist das ’ne Mergolan-Kutsche?«, fragte er. »Sag bloß, das ist ’ne Mergolan-Kutsche. Wieso fährst du denn so ’ne Schrottkiste?«
    Ich stieg ebenfalls aus. Er ging mit prüfendem Blick um meinen Mercedes herum und sah sich die Funknummer an.
    »Ach, du bist die legendäre Zwodoppelvier? Na endlich. Dich wollte ich schon immer mal kennenlernen.«
    Taxifahrer haben keine Zeit für lange Einleitungen und subtile Annäherungen. Jeden Moment kann ja ein Fahrgast auftauchen und das Gespräch abrupt beenden. Und bis dahin muss alles gesagt sein.
    Er hieß Tossi und studierte Philosophie.
    »Wieso fährst du denn beim Regenbogenfunk«, fragte ich, »da musst du

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