Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
Vom Netzwerk:
– vor mein Bett. Er setzte sich rittlings darauf. Die Ellbogen hängte er über die Lehne.
    »Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Ich musste immer nur an dich denken. Seit Tagen kann ich nicht schlafen, weil ich immer an dich denken muss. Konntest du schlafen?«
    »Ja, hervorragend.«
    Das war gelogen. Eines der Nebengebäude wurde gerade abgerissen, und ich bekam tagsüber kaum noch ein Auge zu. Ich ging aber davon aus, dass Majewski ebenfalls gelogen hatte.
    »Ich muss mal eben zur Polizei. Hast du Lust mitzukommen?«
    »Was willst du denn bei der Polizei?«
    »Ich hab wieder eine Anzeige wegen Nötigung im Straßenverkehr bekommen. Da soll ich jetzt zu Stellung nehmen.«
    Draußen hatte es knapp über null Grad. Die Luft war so kühl und klar, dass eigentlich nur noch Schnee fehlte. Einzelne kleine Wolken verteilten sich über den blendenden Himmel. Kaum waren wir auf der Straße, als wir auch schon in eine Gruppe von Jungen in sommerlich leichten Jogginghosen gerieten. Sie hatten sich vor dem Hoftor versammelt. Der Größte probierte verschiedene Kick-Box-Tritte am Zweitgrößten aus. Die anderen – es waren noch vier – sahen zu. Ich hatte keine Ahnung vom Kick-Boxen, aber ich fand es erschreckend, wie präzise dieser Zwölfjährige bereits seine Tritte platzierte. Ohne selbst aus dem Gleichgewicht zu kommen, traf er den anderen jedes Mal mit seinem Turnschuh am Kopf. Der Junge, dessen Kopf dann ein Stück nach hinten oder zur Seite federte, hatte jede Gegenwehr aufgegeben. Er kämpfte bloß noch mit den Tränen.
    Majewski packte den kleinen Kick-Boxer am Kragen.
    »Bist du bescheuert? Hör sofort auf!«
    Der Zwölfjährige versuchte, mit dem Oberkörper abzutauchen und gleichzeitig sein Bein hochzubringen, Richtung Majewskis Schläfe. Majewski riss ihn einfach am Kragen von den Füßen. Das kleine Miststück fiel auf den Rücken und schlug mit dem Hinterkopf auf eine Gehwegplatte. Ich sah es schon vor mir, wie sich gleich die ganze Bande auf Majewski stürzen und auf ihn eintreten würde. Aber Majewski schob die Ärmel seines lappigen Jacketts über seinen muskulösen Unterarmen hoch, sah einmal in die Runde und sagte bloß:
    »Und ihr haltet euch da raus!«
    Sie blieben tatsächlich stehen. Majewski ignorierte den kleinen Kick-Boxer, der sich gerade wieder aufrappelte, und ging zu dem getretenen Jungen. Er nahm seinen Kopf vorsichtig in die Hände und besah sich eine Schürfwunde.
    »Geht’s?«, fragte er, und der getretene Junge nickte unter Tränen, wischte sich die Nase mit dem Handrücken und lief dann davon. Majewski drehte sich zu den anderen um.
    »Mensch, ihr seid doch alle nicht ganz dicht. Haut bloß ab!«
    Zu meiner Überraschung trollten sie sich tatsächlich. Dabei terrorisierten die hier sonst die ganze Gegend.
    Majewski steckte die Hände in die Hosentaschen und schlenderte mit mir zur Polizeiwache hinüber. Er überlegte laut und völlig sorglos, welcher Autofahrer ihn diesmal angezeigt haben könnte. Den Kick-Boxer hatte er schon wieder vergessen. Auch auf der Wache behielt Majewski die Hände in den Taschen. Er lehnte sich mit dem Bauch gegen den Tresen, beugte sich zutraulich vor und log so offensichtlich, dass es mir die Schamröte ins Gesicht trieb.
    »Hören Sie auf, Herr Majewski«, sagte einer der beiden Polizisten schließlich entnervt. »Das sind die dümmsten Ausreden, die ich je gehört habe. Wir wissen beide, dass Sie es waren. Und es ist nicht die erste Anzeige dieser Art. Sie machen es nur noch schlimmer, wenn Sie es nicht zugeben.«
    Majewski legte den Kopf schief und lächelte den Polizisten an. Er schien die Situation zu genießen.
    »Aber wenn ich Ihnen doch sage, dass ich gar nicht gefahren bin. Es gibt viele Leute, die Zugang zu meiner Wohnung haben und sich den Autoschlüssel jederzeit nehmen können. Sie zum Beispiel«, er zeigte auf mich, »sie fährt auch manchmal damit.«
    Zu meiner Erleichterung gingen die Polizisten nicht weiter darauf ein. Sie drohten Majewski nur, dass er demnächst ein Fahrtenbuch führen müsste.
    »Ach, damit kommen die jede Woche«, sagte Majewski laut, während wir die Polizeiwache verließen.
18
    Eine dicke Frau mit fettigen Haaren und Pickeln im Gesicht stieg am Steindamm ein. Sie hatte einen widerlichen Körpergeruch. Ranzig. Sie setzte sich breitbeinig auf die Rückbank, hob ihren langen schwarzen Rock an und fächelte mit dem Saum. Der Gestank wurde überwältigend. Ich kurbelte mit angehaltenem Atem das Seitenfenster halb

Weitere Kostenlose Bücher