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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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haben Sie es nicht?«
    »He, du bist verpflichtet bis fünfzig Mark wechseln zu können.«
    »Jaja, schon gut«, sagte ich. »Das war eine höfliche Frage. Hätte ja sein können, dass du noch einen kleineren Schein hast.«
    »Krieg ich jetzt bald mal mein Wechselgeld?«
    Immer noch lagen die Reste zerfetzter Chinaböller, Knallfrösche und Piepmanscher-Matten in den Rinnsteinen. Beim Anblick der aufgeweichten und überfrorenen, an billiges Toilettenpapier erinnernden Feuerwerksreste hatte ich schon wieder die Nase voll vom neuen Jahr.
    Als Nächstes fuhr ich ein neunzigjähriges Muttchen von einem Altenstift in der Max-Brauer-Allee zur Katholischen Akademie. Mit zittrigen Fingern zog sie einen Hundert-Mark-Schein aus der Knips und reichte ihn nach vorn. Ihre Knöchel schimmerten durch die Haut. Außerdem hörte sie schlecht und war halbblind. Ich wagte nicht, sie nach einem kleineren Schein zu fragen, und gab ihr achtundachtzig Mark heraus, davon achtundzwanzig in Münzen.
    Ich befand mich jetzt ganz in der Nähe meiner Wohnung, aber es hatte keinen Zweck hochzugehen. Alles, was ich noch an Geld hatte, war das in meinem Kellnerportemonnaie. Ich fuhr zum Hauptbahnhof.
    »Sieht das hier aus wie ’ne Wechselstube?«, sagte der Kioskverkäufer. »Du musst schon was kaufen.«
    Ich kaufte ein Mars und eine Dose Cola und zahlte mit dem Hunderter.
    »Kannst du mir statt des Fünfzigers kleine Scheine geben?«
    »Sieht das hier aus wie ’ne Wechselstube?«
    Ich stellte mich beim Glockengießerwall vor den Bahnhof. Der nächste Fahrgast hatte das Geld erfreulicherweise passend. Aber dann stiegen zwei junge Männer in Rollkragenpullovern bei mir ein und wollten zum Luxor, an den Alsterarkaden vorbei, damit sie einen Blick auf das abgebrannte vegetarische Restaurant werfen konnten. Sie hatten beide kinnlange Haare, die in der Mitte gescheitelt waren. Richtige Mädchenfrisuren. Sie flüsterten und kicherten auch wie Mädchen miteinander. Dann fragte einer:
    »Na, wie ist es – haben wir zwei Aspiranten irgendwelche Aussichten bei dir?«
    »Nee«, sagte ich, »nee, habt ihr nicht.«
    Ich wusste schon, wie es kommen würde. Lässig reichte mir der eine den Fünfzig-Mark-Schein nach vorn.
    »Kann ich nur mit Not wechseln. Hast du’s nicht passender?«
    »Wechsel halt mit Not«, sagte der Zwanzigjährige.
    Ich gab ihm vierzig Mark raus.
    Am Karl-Muck-Platz entdeckte ich Udo-Zwonullfünf. Er sah deprimiert aus dem Seitenfenster seines Taxis. Kurz vor Weihnachten war seine Freundin verschwunden. Von einem Tag auf den anderen war ihr Telefon abgemeldet gewesen. Und als Udo zu ihrer Wohnung gefahren war, hatte er vor leeren Zimmern gestanden. Auf dem Klingelschild fehlte bereits der Name. Niemand konnte oder wollte ihm sagen, wohin sie gezogen war.
    Ich stellte mich ans Ende der Taxischlange, ging zu Udo und erzählte ihm eine Zusammenfassung meiner letzten vier Touren.
    »Das Widerlichste«, sagte Udo, während er mir einen Fünfziger wechselte, »das Widerlichste und Niederträchtigste sind diese fetten, b-bebrillten Feuilletonredakteure, die sich in lustigen Artikeln darüber mokieren, wenn Taxifahrer n-nicht wechseln können.«
    Ich stimmte ihm zu. In letzter Zeit hatten die Zeitschriften
das Thema ›Service-Wüste Deutschland‹ entdeckt. In Amerika war das alles viel besser, da spurten die Dienstleistenden noch richtig. Aber hier: nichts als Taxifahrer, die keine Fünfzig-Mark-Scheine wechseln wollten.
    »Die können sich da nicht reindenken«, sagte ich. »So ein dicker, bebrillter Feuilletonredakteur mit dem Portemonnaie voller Fünfzig-Mark-Scheine, der denkt natürlich: Warum nehmen die Taxifahrer nicht jede Nacht fünfhundert Mark Wechselgeld mit, damit die auch ganz bestimmt wechseln können, falls ich vorbeikomme? Die können sich das gar nicht vorstellen, dass es sich jemand nicht leisten kann, mal eben so fünfhundert Mark kaltzustellen.«
    »Und wieso soll eigentlich derjenige, der bezahlt wird, für d-den reibungslosen Ablauf des Geschäfts verantwortlich sein? Wieso nicht der, der zahlt? Steht das irgendwo geschrieben?«, sagte Udo-Zwonullfünf.
    »Alles Dreckhecken«, sagte ich.
17
    Es war früher Nachmittag und ich lag noch im Bett, als meine Wohnungstür aufging. Majewski kam in großen Schritten quer durch den Raum auf mich zu. Er trug ein lila Jackett zu einem zerknitterten schwarzen Hemd und einer sackartigen hellen Hose. Unterwegs griff er sich den Stuhl vom Schreibtisch und stellte ihn – die Lehne voran

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