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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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spritzte meterhoch Gischt, die als Nebel in der Luft hängen blieb. Majewski zeigte da und dort hin, erklärte, wo ich aufpassen musste. Ich hörte überhaupt nicht zu. Anzunehmen, dass ich in diesem brodelnden Höllenkessel imstande sein könnte, ein Boot zu steuern, war lächerlich. Das würde ich nie schaffen. Ich würde umkippen, unter einen Felsen gedrückt werden und ertrinken. Wahrscheinlich die beste Lösung. Wir stiegen wieder in den BMW und fuhren zu einem Parkplatz, auf dem bereits die anderen Paddler in zwei VW -Bussen eingetroffen waren. Außer Majewski und mir fuhren noch fünf mit – vier Jungen und eine Frau. Sie waren allesamt groß und dünn und trugen bereits ihre schwarzen Neoprenanzüge. Majewski und ich zwängten uns in unsere. Ich kroch in das blaue Boot. Majewski überprüfte, ob der Halt für meine Füße richtig eingestellt war, und steckte die Spritzdecke fest, wobei er mich viel und immer etwas zu lange berührte. An dieser Stelle sah die Oker noch still und dunkel wie ein Waldsee aus. Um vom Parkplatz hineinzugelangen, musste man eine gepflasterte Rampe hinunterrutschen, vielleicht zwei Meter tief, und dann kam noch ein kleines Stück freier Fall.
    »Du bist schon einmal gefahren?«, fragte einer der Paddler. Für die Jahreszeit war er ungewöhnlich braun. Die sonnengebleichten Haare fielen in sein Gesicht, als er sich zu mir herunterbeugte.
    »Ich … äh … nein.«
    Er wandte sich an Majewski.
    »Sag mal, findest du das normal, eine völlige Anfängerin die Oker runterzuschicken? Und dann noch bei der Wassermenge?«
    »Klar«, sagte Majewski, »sie schafft das schon.«
    Er zurrte alle Decken und Riemen an mir fest und stülpte mir einen Motorradhelm über den Kopf. Es war die letzte Gelegenheit, wieder auszusteigen.
    »Bereit?«, fragte Majewski. Ich nickte. Ich brachte es einfach nicht fertig, sein großes Vertrauen in meine Fähigkeiten zu enttäuschen. Er schob mich auf die Rampe. Ich rutschte, flog ein Stück durch die Luft, landete im Wasser und konnte das Boot mit einem Paddelschlag stabilisieren. Majewskis grünes Boot landete klatschend neben mir.
    »Du fährst als Erste los. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bleibe dicht hinter dir und helfe, wenn irgendetwas passiert. Hinter der ersten Kurve kommt eine Brücke, da ist die erste Schnelle, nichts Großes, das Wasser fließt bloß ein bisschen rascher, gleich dahinter sind links und rechts zwei kleine Buchten, in eine von beiden musst du hineinsteuern und dabei das Boot gleichzeitig wenden, dass du gegen die Strömung stehst – okay?«
    Ich paddelte los, spürte die sanfte und unerbittliche Macht der Strömung, spürte die Muskulatur meines Verdauungstraktes. Näher immer näher hörte ich das hohle Brausen. Mein Herz schlug wie mit Fäusten gegen meine Rippen. Aber die erste Schnelle war tatsächlich klein, nur ein paar Wellen, die gegen das Boot klatschten, und ich erwischte die linke Bucht. Majewski hatte in der gegenüberliegenden Kehre gehalten und winkte mir, zu ihm herüberzufahren. Was sollte das denn? Gerade fing ich an, Gefallen an der Sache zu finden. Ich wollte keine Pausen, in denen ich Zeit hätte, wieder Angst zu bekommen. Ich wollte zur nächsten Schnelle und dann zur übernächsten.
    »Komm schon«, brüllte er.
    Ich stieß mich ab, paddelte schräg nach vorn, dachte daran, dass das Topolino nicht quer zur Strömung liegen durfte, kam trotzdem quer und kippte um. Das Wasser war an dieser Stelle nicht tief. Ich konnte mit der Hand den Grund berühren, musste aber trotzdem aussteigen. Während ich das Boot ans Ufer zerrte, hob Majewski plötzlich witternd den Kopf und rief:
    »Oh nein, nicht das jetzt!«
    Dann merkte ich es auch: Der Wasserpegel sank – so schnell, dass man zusehen konnte. Die anderen fünf kamen unter der Brücke hindurchgesaust, einer schrie: »Sie machen die Schleuse zu!«
    Die Strömung riss sie vorbei.
    »Zieh dein Boot an Land und warte auf mich«, rief Majewski und folgte ihnen mit großen Paddelschlägen. Ich hörte sie in der Ferne schreien und lachen. Dann wurde es still. Der Fluss war einfach verschwunden. Ein schmales Rinnsal bahnte sich seinen Weg durchs Geröll. Mittendrin steckte ein Metallpfosten mit einem Blechschild. Nicht ins Flussbett treten – Lebensgefahr , stand darauf. Ich kippte das Wasser aus dem Boot.
16
    Das Taxameter zeigte sieben Mark vierzig.
    »Mach acht«, sagte der Mann in dem grobgestrickten Pullover und reichte mir einen Fünfzig-Mark-Schein.
    »Kleiner

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