Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
Gewissheit erfüllt worden, dass sie gebraucht wurde. Ihre Männer brauchten sie. Alle beide. Überhaupt alle. Man mochte es Instinkt, Vorahnung, was auch immer nennen. Vielleicht wäre sie in der Lage, sie zu retten.
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen. Sie verließ das Hotelzimmer mit leichtem Schritt und verstand tief in ihrem Inneren, dass der alte Mann und der junge jetzt mehr als je zuvor auf sie angewiesen waren.
30. KAPITEL
Der Schneewittchenmörder steckte mitten in einem Hustenanfall, als er die Nachrichten im Fernsehen sah. Die Jackson-Schlampe wurde vermisst. Er holte tief Luft und verfolgte aufmerksam den Bericht. Dabei rieb er seine schmerzenden Hände wieder und wieder aneinander.
Er wusste, was passiert war. Natürlich wusste er das. Er konnte es dem Jungen nicht verübeln. Jackson hatte zum Schweigen gebracht werden müssen. Die Sache spitzte sich langsam zu. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Respektlosigkeit und der Leichtsinn seines Schützlings sich rächen würden. Eine systematische Säuberung war das Einzige, was ihre Sicherheit gewährleisten konnte.
Verdammte Charlotte. Das war alles ihre Schuld. Wenn sie den jungen Kerl nicht angeschleppt, ihm nicht seine glorreiche Vergangenheit vor die Nase gehalten hätte. Sie war brillant, das musste er ihr zugutehalten. Und sentimental. Den Ring aus der Asservatenkammer zu stehlen und ihn an seinen rechtmäßigen Platz an seiner rechten Hand zurückzustecken war das Netteste, was sie je für ihn getan hatte.
Sein verkrümmter Finger zog die Linien des prachtvollen Ringes nach. Das Wappen, die Ornamente, das erhabene F . Irgendwann einmal hatte es eine Bedeutung gehabt: ein Zeichen der Ehre, des Mutes. Sein Erbe. Es gab ihm unabänderliche Macht, ein nicht zu stillendes Verlangen zu spüren, wie das Leben aus dem Körper eines anderen Menschen blutete. Er dachte über seine Vorgänger nach, fragte sich, ob sie beim Anlegen des Ringes auch gespürt hatten, wie das Lebensblut aus dem Metall strömte, die jungen, saftigen Körper nach Erlösung riefen.
Alles, was er wusste, war, dass in dem Moment, als der Ring von seinem Finger gerutscht war, in ihm jegliches Verlangen nach Blut erstarb. Natürlich hatte das überhaupt erst passieren können, weil er an Gewicht verloren hatte, an Kraft. Die Krankheit hatte ihn im Griff, und er wurde von Verlangen gepackt, das er nicht mehr ausleben konnte.
Der Ring war zurück an seinem Finger, und der schiefe, unnatürliche Winkel seines Ringfingers machte es unmöglich, dass er ihn noch einmal verlor. Er hatte einen Ersatzmann, um das welke Fleisch noch einmal ins Leben zurückzustreicheln, die Klinge durch das Fleisch zu ziehen, zwei Hände, die wie eine arbeiteten. Es gab Momente, in denen er wieder sein altes Selbst war.
Und nun war alles in Gefahr. Er hatte schlecht gewählt, hatte Charlotte erlaubt, sein Gehirn durcheinanderzubringen. Sein Lehrling würde seinen Tod bedeuten. Es machte ihm nichts mehr aus.
Er schlurfte aus dem Zimmer, die Krücke in der Hand, und stieg höher und höher die Treppen hinauf. Das war ein Mädchen, er konnte es riechen, konnte sie schmecken, und er wollte sie. Nichts würde ihn jetzt aufhalten. Er musste sein Schicksal erfüllen.
31. KAPITEL
Nashville, Tennessee
Sonntag, 21. Dezember
18:00 Uhr
Die Mordkommission summte nur so vor Aktivität, Fitz schüttete die Reste einer weiteren Kanne Kaffee aus und setzte eine neue auf. Die fünfte in den letzten zwei Stunden. Jeder war aufgedreht, launisch und trotz aller künstlichen Stimulanzien vollkommen übermüdet. Marcus hatte den Kopf auf die Hand gestützt und scrollte sich durch seitenlange Dokumente auf seinem Bildschirm. Baldwin telefonierte mit den Fluggesellschaften. Niemand hatte geschlafen, alle konzentrierten sich auf ihre wichtigste Spur: den Limofahrer, der irgendwo im Nirgendwo verschwunden war.
Lincoln sprach am Telefon mit seinem Kontaktmann aus Mazatlán, einem Mann, den er nur als Juan kannte. Vor vier oder fünf Jahren hatte er ihn auf einer Tagung für IT-Forensik kennengelernt. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass Juan nicht sein echter Name war, aber das war im Moment auch egal. Per E-Mail hatte er ihm einen eiligen Hilferuf geschickt. Sie brachten das übliche Vorgeplänkel hinter sich, bevor sie sich dem eigentlichen Anlass ihres Telefonats widmeten.
„¿Hola? ¿Este Juan? Es Lincoln … Sí, hombre, ha sido mucho demasiado largo … No, mi español no es mejor. No tenemos las mujeres aquí digno
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