Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
und reichte den Hörer dann kommentarlos an ihn weiter. Der Anrufer sprach laut; es war nicht schwer, mitzuhören. Während sie die Tuben und Fläschchen aufsammelte, lauschte sie.
Der Anruf war kurz. Ihr Vater sagte währenddessen kein einziges Wort. Als er ihr den Hörer zurückreichte, sah er beinahe beschämt aus. Da erst fiel ihr auf, dass er Angst hatte.
„Wer war das?“
„Ein alter Freund. Wo ist Troy?“
„Ich glaube, er neckt das Mädchen.“
Necken war der Ausdruck, den Troy dafür benutzte. Anders als sein Mentor liebte er es, sich mit seinen Opfern zu unterhalten, sie vorab ein wenig kennenzulernen. In ihnen ein klitzekleines Fünkchen Hoffnung zu nähren, dass sie vielleicht, ganz vielleicht, doch mit dem Leben davonkämen.
„Hol ihn da raus, Charlotte. Wir müssen sie freilassen.“
„Machst du Witze? Das ist so, als ob man eine Gazelle aus dem Schlund eines Löwen holt. Er hat bereits seine Zähne in ihren saftigen kleinen Hals geschlagen. Ich kann sie nicht einfach gehen lassen. Er hat sich zu sehr auf sie eingeschossen.“
Der Schneewittchenmörder rappelte sich aus seinem Stuhl auf. Seine Bewegungen waren steif und langsam. Er schlurfte zur Bar hinüber und goss sich einen großzügigen Whisky in ein Kristallglas sein. Seine Hände zitterten jetzt; er verschüttete genauso viel, wie ins Glas ging.
„Das war Malik. Er ist überzeugt, dass die Polizei uns auf der Spur ist.“
„Uns? Dir und Joshua?“
„Dir und Troy auch. Ich habe dir gleich gesagt, dass er mehr Ärger bedeutet, als er wert ist.“
Charlotte warf ihre Haare zurück und sah ihren Vater voller Verachtung an. „Ich bitte dich. Du liebst ihn wie einen Sohn.“
„Und jetzt muss er gehen. Malik ist sehr wütend über das, was in dem Massagesalon vorgefallen ist. Troy ist außer Kontrolle, Charlotte. Du hast ihn nicht mehr unter Kontrolle. Er muss entfernt werden.“
„Wer ist außer Kontrolle?“, ertönte eine Stimme aus dem Flur. Troy betrat das Zimmer und schenkte sich einen Drink ein. Charlotte und der Schneewittchenmörder blieben wie erstarrt stehen. Wie viel von ihrer Unterhaltung hatte er gehört?
„Du“, wandte Charlotte sich schnurrend an ihn. Sie konnte ihn ablenken, so viel war sicher. Die Anordnungen ihres Vaters rasten durch ihren Kopf. Sie war noch nicht bereit, das hier aufzugeben. Es machte ihr zu viel Spaß.
„Ich bin überhaupt nicht außer Kontrolle. Ich fange gerade erst an. Was denkst du, alter Mann? Wir haben lange genug gewartet. Ich brauche sie. Lass uns gemeinsam die Treppe hochgehen, und ich werde am Messer meine Hand über deine legen und sie mit meinem Schwanz ficken, während du ihr Gesicht streichelst und zusiehst, wie das Licht in ihren Augen verlischt.“
„Nein!“ Der Schneewittchenmörder knallte sein Glas auf den Tisch. „Du musst sie gehen lassen. Wir haben das bereits besprochen. Wir werden eine andere für dich finden. Wir können gleich jetzt losgehen, dir zwei, drei Mädchen suchen. Aber dieses Mädchen muss nach Hause gehen. Die Cops sind zu nah dran. Ein alter Freund, der es wissen muss, hat mich gewarnt. Lass sie frei.“
Troy fing an, in der Bibliothek auf und ab zu gehen. „Du kannst mir nichts befehlen, alter Mann. Vielleicht habe ich sie bereits umgebracht. Und dich die ganze Zeit über angelogen.“
„Das hast du nicht. Ich würde ihr Blut an deinen Händen riechen.“ Er gab seiner harschen Stimme einen etwas weicheren Klang und versuchte, den Jungen zur Einsicht zu bringen. „Manchmal passiert so etwas, das musst du verstehen. Nicht jeder Jäger ist bei jedem seiner Jagdausflüge immer erfolgreich. Wir werden weitere finden. Das ist alles.“
Erschöpft ließ der Schneewittchenmörder sich in seinen Stuhl fallen.
„Du kannst mich nicht aufhalten.“ Troy wandte sich an Charlotte. Seine Wut brodelte kaum verhohlen an der Oberfläche. „Ich werde sie jetzt nehmen. Sie gehört mir.“
Sie packte seinen Arm. „Troy. Du musst vernünftig sein. Du hast uns eine Menge Ärger eingebrockt. Vielleicht ist es an der Zeit, dass du mal zuhörst anstatt zu handeln. Hast du denn keinen Spaß? Bekommst du von uns nicht alles, wonach du verlangst? Sind wir nicht eine Familie? Ich habe dich in unser Leben geholt, weil ich wusste, dass du eine Chance haben wolltest zu lernen, zu wachsen. Wir haben dir diese Chance und mehr gegeben. Wir haben dir Liebe gegeben.“
Charlotte sah, dass Troy nicht zuhörte, sah, wie die langsame Flamme der Wut sich zu einem rasenden
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