Te quiero heißt, ich liebe Dich
unzählige Bienen, die sich über die letzten glockenförmigen Heideblüten hermachten, summten um die Wette.
Unter strahlendblauem Himmel folgte Jane Miguel durch kleine, wenig benutzte Trampelpfade, die von goldgelbem Adlerfarn, hinter dem sich weite Heidekrautflächen erstreckten, gesäumt wurden. Miguel hatte sich einen kleinen Berg zum Ziel gesetzt, von dessen Gipfel aus er sich einen schönen Ausblick versprach. Jane, die ganz in der Nähe der Moorlandschaft aufgewachsen war, fragte sich verärgert, warum Miguel unbedingt ein so scharfes Tempo vorlegen musste und nicht wie jeder normale Spaziergänger langsam gehen und die Landschaft genießen konnte. Doch je mehr sie über Miguel nachdachte, desto klarer wurde ihr, dass dieses Verhalten lediglich sein ganzes Lebensprinzip widerspiegelte: Zuerst steckte er sich ein Ziel, dann galt es, dieses Ziel so schnell wie möglich zu erreichen, um sich danach wieder einer neuen Aufgabe zu stellen.
“Sag mal, veranstalten wir hier ein Wettrennen, oder was?”, protestierte sie schließlich entnervt.
Miguel blieb stehen und wartete, bis Jane ihn eingeholt hatte. Dann nahm er ihre Hand. “Bist du müde? Komm, ich ziehe dich mit.”
“Nein!” Sie zog energisch die Hand zurück und machte ihn auf die herrlichen Blumen aufmerksam und auf die Bienen, die emsig ihrer Arbeit nachgingen, und dann auf die Vögel, die am strahlendblauen Himmel vorbeizogen. “Jetzt bleibst du endlich einmal stehen und siehst dich um! Ist es hier nicht herrlich? Wenn ich spazieren gehe, möchte ich dabei die schönen Blumen bewundern und dem Gesang der Vögel lauschen …”
“Das glaube ich dir ja gern, aber wir sind noch nicht am Ziel. Von dort oben haben wir einen viel besseren Ausblick.”
Jane rührte sich nicht von der Stelle. “Mann kann die Schönheit der Natur auch hier und jetzt genießen”, erklärte sie trotzig. “Weshalb müssen wir dafür extra auf den Berg steigen?”
“Ach, komm, Jane. Je höher der Berg, desto schöner die Aussicht!”
“So ein Unsinn! Dir entgehen die interessantesten Sachen, wenn du durch die Gegend rennst wie ein Irrer. Wenn wir etwas langsamer gingen, könnte ich all die kleinen Dinge, die ich so sehr liebe, viel mehr genießen.”
“Liebe …”, wiederholte Miguel leise und zog Jane in die Arme. “Was weißt du kleine Unschuld schon von Liebe?” Langsam presste er die Lippen auf ihren Mund und küsste Jane so sanft und zärtlich, bis sie seine Liebkosungen erwiderte. Als er schließlich die Zunge zwischen ihre Lippen drängte, wurde Jane von heißem Verlangen erfasst. Doch Miguel hatte sie verletzt, und ihr Stolz ließ es nicht zu, dass sie sich ihm ganz hingab. Denn wenn sie jetzt mit ihm schliefe, hätte sie ihre Chance verspielt, von ihm als gleichwertige Partnerin akzeptiert zu werden. Also nahm sie all ihre Kraft zusammen und entzog sich seiner Umarmung.
“Was hast du,
querida?”
Miguel versuchte, Jane erneut an sich zu ziehen, doch sie wich entschlossen zurück.
“Nein, Miguel!”
Einen Augenblick hielt er erstaunt inne. Ganz offensichtlich war er es nicht gewöhnt, dass sie ihm das Heft aus der Hand nahm. “Also gut, dann warten wir eben noch …”, meinte er schließlich lächelnd, und Jane glaubte, wachsenden Respekt in seinem Blick zu erkennen.
Miguel drehte sich um und setzte seinen Weg fort, und Jane folgte ihm zufrieden. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie das Gefühl, das Richtige getan zu haben. Dieser Mann konnte sein Gesicht von einem Moment auf den nächsten verändern. Einmal war er der charmante, heißblütige Liebhaber, und dann verwandelte er sich wieder in den kühlen Fremden, den Jane so verachtete. Aus welchem Grund sie dieses Spiel mitmachte, durfte sie ihm jedoch niemals verraten. Denn wenn er erfuhr, wie sehr sie ihn liebte, wäre sie für immer verloren.
Zwei Tage später wurden Jane und Miguel in der kleinen Kapelle in Janes Heimatort getraut. Während Janes Mutter und Juanita vor Rührung weinten, sah Miguel stolz auf seine junge Frau herab. Die Leidenschaft in seinen Augen war immer noch da, doch merkte Jane, dass er sie bewusst verdrängte und darauf wartete, mit seiner Frau allein zu sein.
Leidenschaft – ja, Leidenschaft ist da, nur Liebe nicht, dachte sie traurig. Miguel legte besitzergreifend den Arm um ihre Schultern, als seine Familie auf das Paar zukam, um es zu beglückwünschen.
“Jane!” Carlos küsste Jane freundschaftlich auf beide Wangen. “Nun sind wir ja bald miteinander
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