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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hellichter Tag, es gab nirgendwo Schatten. Der Bus hatte eine Panne, schwitzende Männer lagen unter dem Motor und versuchten, einen lecken Öltank abzudichten. Ich verließ den Bus und fing an zu gehen. Um den Kopf vor der Sonne zu schützen, legte ich ein paar Palmblätter unter mein Kopftuch. Hin und wieder hörte ich einen Affen in einem Baum aufkreischen. Ich dachte, er, der mir das Leben gerettet hatte, befände sich da irgendwo, spähend, wachend. Es war, als ginge ich nicht mehr allein auf den staubigen Wegen durch den roten Sand. Da war der Affe, aber auch andere unsichtbare Begleiter, meine Eltern und du, Alemwa, vor allem du.
    Ich ging immerfort nach Norden, ich wurde eins mit den unruhigen Scharen, die über die Straßen ziehen, auf der Flucht vor den Plagen, Zielen entgegen, die meist nur eine Fata Morgana sind, nicht einmal ein Traum. Schließlich gelangte ich an den Strand. Auf der anderen Seite des Wassers lag Europa.«
    Tea-Bag verstummte. Langsam zog sie den Reißverschluß ihrer dicken Jacke herunter. Jesper Humlin stutzte. Er meinte, ein Tier herausschlüpfen zu sehen, ein Tier, das sich unter der Jacke verborgen hatte und nun aus dem Zimmer verschwand.
    Tea-Bag sah ihn an und lächelte.
    Er hätte gern gewußt, ob Tea-Bags Geschichte jetzt zu Ende war. Oder ob sie eigentlich gerade erst angefangen hatte.

17
    J esper
    Humlin wunderte sich über die Stille. Keine der anderen fragte Tea-Bag etwas. Warum waren weder Tanja noch Leyla interessiert? Hatten sie die Geschichte schon vorher von ihr gehört? Oder war sie aus Teilen zusammengesetzt, zu denen alle drei mit ihren Erfahrungen beigetragen hatten? Er wußte es nicht.
    Tanja hatte die ganze Zeit über am Herd gestanden und in einem Topf gerührt. Als Jesper Humlin aufstand, um sich ein Glas Wasser zu holen, entdeckte er zu seiner Verblüffung, daß der Topf leer war und die Platte kalt. Leyla saß da und hielt ihre Armbanduhr in der Hand, als habe sie bei Tea-Bags Erzählung die Zeit gestoppt.
    - Wieso fragt ihr nichts? sagte Jesper Humlin.
    - Was denn?
    Leyla starrte weiter auf ihre Uhr.
    - Tea-Bag hat eine bemerkenswerte und ergreifende Geschichte erzählt. Sie braucht keinen Kurs, um erzählen zu lernen.
    - Ich kann nicht schreiben, sagte Tea-Bag, die Hunger bekommen hatte und jetzt Tubenmayonnaise auf eine Scheibe Brot quetschte.
    Ein Telefon klingelte. Jesper Humlin schrak zusammen. Auch Tea-Bag reagierte darauf. Die einzige, die ungerührt blieb, war Tanja, die offenbar auf Anhieb die verschiedenen Mobiltelefone auseinanderhalten und außerdem erkennen konnte, ob der Anrufer ihr Feind war oder nicht.
    Es war Leylas Handy. Sie sah auf das Display und reichte es dann an Tanja weiter.

- Es ist von zu Hause, sagte sie. Sag, wir hätten die Telefone vertauscht. Du weißt nicht, wo ich bin.
    - Das gibt nur Ärger.
    - Es kann nicht mehr Ärger geben, als ich sowieso schon habe. Geh dran!
    - Du mußt selbst drangehen.
    - Ich kann nicht. Das verstehst du nicht.
    - Ich verstehe es. Aber du mußt drangehen.
    Das Handy klingelte und vibrierte in einem fort. Es lag auf dem Tisch und zuckte zwischen den Tellern herum wie ein halb totgeschlagenes Insekt. Jesper Humlin sah, wie angstvoll Leyla war, als sie sich das Handy schnappte und sich in ihrer eigenen Sprache meldete. Er konnte hören, daß sie mit einem Mann sprach. Die Stimme am anderen Ende klang sehr erregt. Leyla duckte sich vor der Stimme, dann aber richtete sie sich plötzlich auf, fing an zu schreien und beendete das Gespräch damit, daß sie das Handy auf den Tisch donnerte, bis die Batterie herausfiel. Sie rief etwas, was Jesper Humlin nicht verstand, sprang auf, die Hände zur Faust geballt, sank dann wieder auf den Stuhl zurück und brach in Tränen aus.
    Tanja hatte wieder angefangen, in ihrem Topf zu rühren. Jesper Humlin überlegte, ob sie vielleicht eine unsichtbare Mahlzeit für ihre Tochter zubereitete, die sich irgendwo in weiter Ferne befand. Tea-Bag hob die Batterie vom Boden auf und setzte sie wieder ein.
    Plötzlich hörte Leyla auf zu weinen.
    - Es war mein Vater. Tanja schnaubte.
    - Geh nie wieder nach Hause. Er darf dich nicht einsperren. Deine Brüder dürfen dich nicht schlagen.
    - Hier kann ich nicht bleiben. Bei meiner Großmutter kann ich auch nicht wohnen.
    Wütend fing Tanja an, mit einem zusammengerollten Handtuch auf Leylas Arm einzuschlagen.

- Aber du kannst nicht nach Hause gehen. Als du erzählt hast, was mit deiner Schwester passiert ist, dachte ich, du

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