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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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aufgeplatzte Naht, und ich erinnere mich, daß ich schauderte. Er hatte nach meinem Preis gefragt. Ich hatte nicht geantwortet, weil ein Mensch keinen Preis haben kann. Das muß es gewesen sein, was mich ihn sofort hassen ließ.

Ich wußte schon, was mich erwartete. Als ich dreizehn war, hatte meine Mutter mir gesagt, es sei Zeit, mich an das zu gewöhnen, was die Männer wollten und worauf sie ein Recht hatten, und es war einer ihrer Brüder, der es mir zeigen sollte. Ich mochte ihn nicht, er hatte Schielaugen und röchelte beim Atmen. Es war eine furchtbare Erfahrung, als würde ich von jemandem aufgerissen, der sich in meinen Körper zu rammen versuchte. Hinterher weinte ich, aber meine Mutter sagte, das Schlimmste sei jetzt vorüber, alles würde besser werden oder zumindest nicht schlimmer.
    Wir gingen in das Schlafzimmer des kleinen Mannes, das im ersten Stock lag, ein Fenster stand offen, ein leichter Nachtwind wehte herein. Von fern hörte ich Trommeln und singende Menschen. Im Zimmer war es dunkel, ich legte mich aufs Bett, das Kleid übers Gesicht geschlagen, und wartete. Ich hörte, wie er sich im Zimmer bewegte, es klang, als seufze er. Dann kam er über mich, ich horchte auf die Trommeln und den Gesang, die Laute wuchsen und wurden stärker, ich spürte gar nicht, daß er in mir war, das muß er gewesen sein, aber ich spürte es nicht, hörte nur die Trommeln und den Gesang, der anstieg und abschwoll und sich mitunter in einen Schrei verwandelte.
    Plötzlich riß er mir das Kleid vom Gesicht. Obwohl es dunkel im Zimmer war, bis auf das Licht von der Straßenlaterne draußen, konnte ich sehen, daß sein Lächeln erloschen war. Er war schweißgebadet und keuchte, es triefte von seinem Schnurrbart. Sein ganzes Gesicht war verzerrt, als hätte ihn ein schlimmer Schmerz befallen. Er fing an zu schreien, und zugleich packte er meinen Hals mit beiden Händen und versuchte, mich zu erwürgen. Ich begriff, daß er mich töten wollte. Ich wehrte mich mit aller Kraft. Aber er war stark. Und er schrie immerfort. Er klagte mich wegen allem an, daß ich in seinem Bett lag, daß ich schwarz war, daß ich nach Gewürzen duftete, deren Namen er nicht kannte, daß ich das

Kleid über dem Gesicht hatte, daß ich mich verkaufte, daß es mich überhaupt gab. Es gelang mir, so fest nach ihm zu treten, daß er mich aus seinem Griff entließ. Ich rollte vom Bett und versuchte, meine Schuhe zu finden. Als ich mich umdrehte, stand er da und hatte einen Arm erhoben. In der Hand hielt er einen großen Haken, so einen, mit dem man Haie fängt. Ich sah ihm direkt in die Augen. Sie waren wie zwei schwere Türen, die kurz davor waren zuzuschlagen.
    Da war ein Laut zu hören, er hielt inne, die Türen blieben offen. Ich sah, wie er das Gesicht zum Fenster drehte, wo sich eine dünne weiße Gardine in dem unsichtbaren warmen Nachtwind bewegte. Da saß ein Affe. Er hatte ein braun-grünes Fell, und er kratzte sich an der Stirn. Woher er gekommen war, weiß ich nicht, aber er rettete mir das Leben. Ich hob einen schweren Holzstuhl, der neben der Bettkante stand, und schlug ihn dem blassen Mann mit aller Kraft auf den Kopf. Der Affe schaute mich erstaunt an und fuhr dann ungerührt fort, sich zu kratzen. Ob ich diesen Mann totgeschlagen habe, weiß ich nicht. Ich raffte meine Schuhe zusammen und nahm seine Brieftasche und die Uhr, die auf dem Tisch neben dem Bett lag. Dann rannte ich los. Als ich auf den Hof kam, drehte ich mich um.
    Der Affe saß dort am Fenster, ein Schatten vor der weißen Gardine, die sich langsam bewegte.
    Ich schlich mich durch die Stadt, voller Angst, von den lachenden Soldaten eingefangen oder von jemandem überfallen zu werden, der witterte, daß ich sowohl Geld als auch eine Uhr hatte. Ich versteckte mich unter einer verfallenen Brücke. Da war es ganz finster, Ratten streiften meine Beine, und ich blätterte das Bündel mit Geldscheinen durch, das ich mir geschnappt hatte. Es war viel Geld. Ich hörte den Affen, der mir das Leben gerettet hatte, zu mir sagen, ich solle die Stadt schon in der Morgendämmerung verlassen und einen Bus nehmen, der mich nach Norden brachte. Wohin ich unterwegs

war, wußte ich nicht. Aber ich wußte, daß der Affe mich am Ziel der Reise erwartete. Als ich in den Bus stieg, versteckte ich das Geld und die Uhr in meinen Unterhosen, verschränkte dann die Hände zwischen meinen Beinen und schlief ein.
    Als ich aufwachte, war der Bus mitten in einer Ebene stehengeblieben. Es war

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