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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Treffen in Stensgården erscheinen konnte. Als er sich in den überfüllten Bus gezwängt hatte, wollte er noch einmal bei Pelle Törnblom anrufen. Er durchsuchte seine Aktenmappe und sämtliche Taschen. Umsonst. Das Handy hatte er im Zug liegenlassen.
    Es war halb elf Uhr abends, als der Bus am Hauptbahnhof von Göteborg vorfuhr. Vergeblich hielt Jesper Humlin Ausschau nach Pelle Törnbloms Auto. Natürlich war niemand da, um ihn abzuholen.

10
    J esper Humlin holte tief Luft.
    Dann ließ er jeden Gedanken an eine Fortsetzung des mit Leyla und ihren beiden Freundinnen begonnenen Projekts fallen. Das Beste, was er tun konnte, war, sich aus dieser Sache zurückzuziehen, über die er schon von Anfang an die Kontrolle verloren hatte.
    Als er im Schneematsch vor dem Bahnhofsgebäude in Göteborg stand, sah er alles klar und deutlich vor sich. Die ganze Idee war von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Er hatte sich von der irrwitzigen Vorstellung leiten lassen, in einem Boxklub, der sich in einem Vorort von Göteborg befand, erwarte ihn ein literarisches Abenteuer. Zwischen dem Leben, das er führte, und den Menschen draußen in Stensgården klaffte ein Abgrund. Eine Brücke würde er nicht schlagen können, selbst wenn er fest dazu entschlossen war. Was allerdings fraglich war, wenn er ganz ehrlich sein sollte. Er dachte flüchtig, daß sich die Träume der Mädchen, Moderatorinnen im Fernsehen zu werden, nicht wesentlich von seinen eigenen Ambitionen unterschieden. Reich und berühmt sein, ständig in der Presse erwähnt werden und auch in der internationalen literarischen Arena Erfolg haben.
    Er stieg in ein Taxi und gab das Hotel an, in dem er für gewöhnlich während der Buchmesse wohnte. Aber gerade als der Wagen zu dem Hotel an der Avenue abbog, beugte er sich vor und verlangte, statt dessen nach Stensgården gefahren zu werden. Der Taxifahrer drehte sich um.
    - Aber Sie wollten doch hierher?

Der Taxifahrer sprach gebrochenes Schwedisch. Allerdings mit einem ausgeprägten Göteborger Dialekt.
    - Wohin in Stensgården?
    - Zu Pelle Törnbloms Boxklub.
    Das Taxi machte einen Kavalierstart.
    - Mein Bruder boxt da. Ich wohne in Stensgården. Rasch lehnte sich Jesper Humlin so weit wie möglich zurück, damit sein Gesicht im Schatten lag. Der Taxifahrer jagte mit überhöhter Geschwindigkeit durch die leeren Straßen.
    - Würden Sie bitte etwas langsamer fahren. Ich möchte lebendig ans Ziel kommen.
    Der Taxifahrer drosselte die Geschwindigkeit. Nach der ersten Ampel erhöhte er das Tempo wieder. Jesper Humlin gab jeden Gedanken daran auf, die Ansichten des Fahrers darüber, was schnell war und was nicht, beeinflussen zu können.
    - Ein Mitglied meiner Familie ist heute abend im Klub.
    - Er ist also auch ein Boxer?
    - Es ist eine Sie. Meine Kusine. Sie treffen dort einen Dichter.
    Jesper machte sich im Dunkel des Rücksitzes klein.
    - Klingt interessant.
    - Leyla will eine große Schriftstellerin werden. Er soll Leyla beibringen, wie man es macht, daß man einen Haufen Geld zusammenschreibt. Leyla hat ausgerechnet, daß sie vier Bücher im Jahr schreiben kann. Wenn sich davon je hunderttausend Exemplare verkaufen, ist sie in ein paar Jahren Millionärin. Dann machen wir ein Institut auf.
    - Wer ist wir?
    - Sie und ich und mein Bruder und ihre anderen Kusinen. Plus zwei Onkels, die noch im Iran wohnen. Aber sie sind auf dem Weg. Obwohl sie vielleicht mit türkischen Pässen einreisen. Das haben wir noch nicht entschieden. Wir werden elf Teilhaber sein.

- Was für ein Institut? Ist es denn wirklich so einfach, in Schweden eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen? Werden die Pässe nicht kontrolliert?
    - Ein Studio, wo dicke Menschen dünn werden. Es ist sehr schwer, in Schweden eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Man muß wissen, wie man es macht. Dann ist es leicht.
    - Und das wissen Sie?
    - Das wissen alle.
    - Wie macht man es?
    - Man reist hierher. Entweder man wird hereingelassen oder ausgewiesen. Wenn man hereingelassen wird, ist die Sache klar. Wenn man ausgewiesen wird, ist die Sache auch klar.
    - Wieso?
    - Man läßt sich nicht ausweisen.
    - Geht das?
    - Ohne weiteres. Man türmt aus dem Flüchtlingslager. Man kann mit jemand anderem den Namen tauschen. Oder man taucht einfach unter. Außerdem gibt es Kirchen, in denen man Schutz suchen kann.
    Jesper Humlin protestierte.
    - Das klingt viel zu einfach, um wahr zu sein. Jeden Tag lese ich in der Zeitung von Menschen, die verzweifelt versuchen, hier zu

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