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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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du hierher nach Schweden gekommen bist. Es interessiert mich natürlich auch, wie es dir gelungen ist, dich so lange vor der Polizei versteckt zu halten. Aber vor allem will ich wissen, warum du weggegangen bist. Was hat dich dazu veranlaßt, alles zu verlassen und hierher zu kommen? Darüber solltest du schreiben. Das ist deine Erzählung. Ich verspreche, dir zuzuhören. Aber ich will, daß du sagst, wie es ist. Nichts sonst.

Ich bin es langsam leid, nicht sicher sein zu können, wie die Menschen eigentlich heißen.
    Er wartete. Inez oder Tanja oder Natalia blieb stumm. Ich habe die ganze Nacht lang Zeit, dachte er. Früher oder später muß sie etwas sagen.
    Aber da irrte Jesper Humlin. Nach einer halben Stunde hatte sie immer noch nichts gesagt. Als die Stille endlich durchbrochen wurde, geschah dies dadurch, daß die Haustür mit einem Knall aufging und ein Schäferhund mit Gebell ins Zimmer stürmte, gefolgt von drei Polizisten mit gezogener Waffe.
    - Hände hoch und nicht bewegen.
    Jesper Humlin fragte sich, ob er träumte. Aber die Angst, die er verspürte, war echt.
    - Ich kann alles erklären. Es ist nichts Ungesetzliches, was hier vor sich geht.
    Tanja saß regungslos auf dem Stuhl. Wieder verlor sich ihr Blick an einem Punkt in weiter Ferne. Aber Jesper Humlin merkte, daß sie zugleich wachsam verfolgte, was um sie herum geschah.
    - Sie rufen am besten Pelle Törnblom an, den Besitzer dieses Klubs.
    - Wir wurden wegen eines Einbruchs in dieses Gebäude alarmiert. Die Tür wurde aufgebrochen.
    - Das läßt sich erklären. Ich heiße Jesper Humlin und bin Schriftsteller. Ich vermute, daß keiner der Wachtmeister Poesie liest. Aber sie haben vielleicht trotzdem von mir gehört. Ich werde ziemlich oft in den Massenmedien erwähnt.
    - Das heben wir uns fürs Polizeipräsidium auf. Folgen Sie uns jetzt.
    Tanja stopfte ihre Sachen in den Rucksack. Jesper Humlin sah, daß sie die beiden Briefe absichtlich liegenließ.
    - Ich protestiere gegen diese Behandlung. Falls ich ein Telefon benutzen darf, rufe ich Pelle Törnblom selber an.

Einer der Polizisten packte ihn am Arm. Jesper Humlin sah schon die Schlagzeilen vor sich.
    Es war vier Uhr morgens, als es Jesper Humlin endlich gelang, den Polizisten, der das Protokoll aufnahm, dazu zu bringen, daß er Pelle Törnblom anrief. Während einiger kurzer Minuten waren er und Tanja allein gewesen, als man sie aufs Polizeipräsidium brachte.
    - Ich behaupte, daß die Tür schon aufgebrochen war, sagte er. Ich werde auch nichts davon sagen, wer du bist. Wo hast du übrigens gelernt, wie man Türen aufbricht?
    - Mein Vater war Einbrecher. Von ihm habe ich es gelernt.
    - Was bedeutet das? Daß du auch noch eine Diebin bist?
    - Wovon sollte ich sonst leben?
    - Läufst du deshalb mit einem Brecheisen im Stiefel herum? Um Einbrüche zu machen?
    In ihren Augen blitzte es auf, als sie antwortete.
    - Ich hasse es, arm zu sein. Weißt du, was das heißt? So arm zu sein, daß man sich selber nicht mehr leiden kann? Weißt du das? Nein, das weißt du nicht.
    - Du bist also vor der Armut geflohen?
    - Ich bin vor gar nichts geflohen. Fliehen, das klingt, wie vor etwas wegzulaufen. Ich bin nach Smolensk gefahren, um reich zu werden. Ich hatte es satt, in Häuser einzubrechen, in denen nichts zu holen war. Ich wollte in ein Land, wo es etwas hinter den Türen gibt, die ich aufbreche. Es wurde Schweden.
    Das Gespräch endete abrupt, da sie getrennt abgeführt wurden. Jesper Humlin wurde in eine Zelle mit einem betrunkenen Eishockeyfan gesteckt, der sich auf den Boden erbrochen hatte und dem ein Auge zugeschwollen war. In der folgenden halben Stunde war er gezwungen, sich einen wirren Bericht über eine Tribünenschlägerei im Scandinavium anzuhören, die eskaliert war. Erst als der Fan weggebracht wurde, gelang es Jesper Humlin, seine Gedanken wieder zu sammeln.
    Als
    Pelle
    Törnblom
    endlich
    in
    der

Morgendämmerung erschien, hatte er eine Erklärung parat, die vor allem Tanja schützen sollte. Pelle Törnblom sah ihn lange an, ehe er etwas sagte.
    - Wäre es nicht einfacher gewesen, mich anzurufen und mich zu bitten, zu kommen und aufzuschließen?
    - Ich habe mein Telefon im Zug liegenlassen. Hast du gar nicht mitbekommen, daß ich verspätet war?
    - Ich habe tatsächlich ziemlich lange darauf gewartet, daß du anrufst. Es war die Hölle, allen, die gekommen waren, zu erklären, daß du sie im Stich gelassen hast.
    - Der Zug hatte Verspätung, wiederholte Jesper erregt. Ich habe sie

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