Team Zero 1 - Heißkaltes Spiel (German Edition)
standen und die Nische zum Großteil verdeckten. Alles hübsch in Gelb gehalten, vom Teppich bis zum Bettzeug.
„Will …“ Im gleichen Moment musste er zum gleichen Schluss gekommen sein wie sie.
Er ging zum Bett, zog die Bettdecke beiseite und fand die tote Frau. Das erste, was Josy sah, waren die Verbände an ihren Sprunggelenken, Pulsadern und an ihrem Hals, die behelfsmäßig, vermutlich von der geschockten Mutter, angebracht worden waren. Die blasse Frau sah aus als würde sie schlafen. Sie wirkte friedlich.
Josy seufzte. Leider hatte sie genau diese Verletzungen erwartet, somit erklärte sich auch das Gefühlschaos, das sie im Untergeschoss wahrgenommen hatte. Das gleiche haarsträubende Gefühl, das bei ihrem letzten Einsatz Besitz von ihr ergriffen hatte, nur dass sich die bereits auflösende Aura des Täters ein bisschen von der damaligen unterschied. Warum das so war oder was dahintersteckte, konnte sie im Moment nicht entschlüsseln.
Während Will den Fund der Leiche bekannt gab und das Team der Spurensicherung den oberen Stock besiedelte, ging Josy zurück ins Erdgeschoss und sah sich noch einmal den Teppich an, auf dem vier Blutflecken zu sehen waren, wo eigentlich fünf hätten sein sollen. Das kam ihr seltsam vor. Sie kniff sich in den Nasenrücken und ließ ihre Gedanken noch ein wenig reifen. Dann begann sich das Bild in ihrem Kopf, langsam zusammenzufügen. Ihrer Eingebung folgend ging sie nach draußen zu den Mülltonnen des Hauses.
Es dauerte nicht lange, bis sie fündig wurde und eine Plastikunterlage mit dem fünften Blutfleck aus der Tonne zog. Der Haushalt war sauber und gepflegt, also verwunderte sie eine Unterlage, die als Schutz für den teuren Teppich unter dem Esstischdiente, keineswegs. Da das Opfer alleine gelebt hatte, erklärte es sich von selbst, weswegen die Unterlage von der Größe her nur für den Platz einer Person gedacht war. Auch wie diese im Müll gelandet war, konnte sie sich bereits zusammenreimen. Trotzdem wollte sie absolute Gewissheit, bevor sie Alarm schlug, also suchte sie die Mutter des Opfers auf, die in Decken gehüllt im Notarztwagen saß und auf den Boden starrte. Sie fragte den Sanitäter, ob die Mutter ansprechbar war.
„Ich glaube, Sie werden damit nicht erfolgreich sein. Es wäre besser, wenn Sie es erst morgen versuchen würden“, sagte der Mann leise.
„Es dauert wirklich nur einen Moment.“
Nach wenigen Augenblicken erhielt sie ein zögerliches Nicken. Sie bedankte sich mit einem Lächeln und setzte sich auf den ausklappbaren Sitz neben die Mutter des Opfers. Mrs. Summer hatte kurze kastanienbraune Haare und war aschfahl im Gesicht. Ihre Hände ruhten zusammengefaltet in ihrem Schoß, ihre Schultern hingen schlaff nach unten. Sie sah aus wie ein Häufchen Elend. Josys Herz machte einen Satz. Um eine persönliche Verbindung zu schaffen, legte sie ihre Hand auf den Oberschenkel der Frau und beugte sich ein Stück näher zu ihr. Diese ließ Josys Berührung zu, beachtete sie aber nicht, sondern starrte weiter auf den Punkt, den sie fixierte.
„Ihre Tochter hat gerne gelesen, nicht wahr?“
Keine Reaktion.
„Ich habe ihre Bücher gesehen. Eine beachtliche Anzahl. Neben den Romanen habe ich auch zahlreiche Gesetzesbücher entdeckt. Ihre Tochter war Juristin, richtig?“
Nun erhellte sich die Miene der Frau. „Sie ist eine tolle Rechtsanwältin. Sie kämpft stets für das Gute“, sagte sie und neigte den Kopf zur Seite, als sehe sie etwas, das für andere verborgen blieb. Um ihre Mundwinkel kräuselte sich ein trauriges Lächeln, das Josy zutiefst berührte.
„Ja“, pflichtete Josy bei und wartete, ohne die körperliche Verbindung zu unterbrechen.
Nach wenigen Minuten brach das Kartenhaus in sich zusammen. Mrs. Summer begann, hemmungslos zu schluchzen, umarmte Josy und weinte in ihre Halsbeuge. Automatisch legte sie der weinenden Frau beide Arme um die Schultern und strich ihr beruhigend über den Rücken. Es gab vieles, was sie gerne gesagt hätte, doch kein Wort hätte an der tragischen Situation etwas geändert. Worte reichten auch nicht aus, um nur annähernd ihr Beileid auszudrücken. Stattdessen schenkte sie der Mutter stumme Anteilnahme und wartete, bis diese sich so weit gefangen hatte, um sprechen zu können.
Der Sanitäter, der in der Zwischenzeit seine Utensilien verstaut hatte, reichte ihr ein Taschentuch und forderte Josy mit seinem Blick auf, zu gehen. Sie warf ihm einen entschuldigenden Blick zu, blieb aber sitzen.
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