Team Zero 1 - Heißkaltes Spiel (German Edition)
irritiert, ist, dass sich die Aura am Tatort von gestern etwas von der damaligen unterscheidet.“
„Kann das in so kurzer Zeit geschehen?“ Verblüfft richtete er seine eisblauen Augen auf sie.
Josy unterdrückte ein Seufzen. Mann, sie war nicht gerade standhaft. Sie sollte sich um das Wesentliche kümmern und sich nicht ständig von Wills Reizen ablenken lassen. Aber, oh Gott, ihr Körper war da anderer Meinung.
„Nun, die Aura ist der Seelenabdruck eines Menschen. Bei der Geburt haben wir alle einen weißen, neutralen Schein, der sich nach und nach verfärbt und zur eigenen speziellen Note wird. Nicht nur die Farbe, sondern auch die einzigartige Ausdruckskraft, die sich mir in einem Gefühl äußert, gehört zur Aura eines jeden Menschen. Du kennst das ja. Jemand kommt in einen Raum und alle sehen auf, ohne zu wissen, warum. Man spürt die Gegenwart dieses Menschen oder bestaunt sein selbstsicheres Auftreten. Und dann gibt es Personen, die unscheinbar sind und nicht hervorstechen. Es ist unterschiedlich, wie stark die Wirkung eines Menschen ausgeprägt ist. Man meint, dass die Aura wie ein Fingerabdruck ist. Aber das stimmt nicht wirklich, denn sie kann sich immer wieder verändern. Das kann durch Schicksalsschläge oder durch Lebensveränderungen geschehen. Verstehst du? Grau ist nicht gleich Grau. Es gibt immer Schattierungen.“
„Das heißt, du musst erst eine Aura wahrnehmen, um in den Geist eines Menschen einzudringen, aber nach Jahren kann sie sich so verändert haben, dass du diese Person auf geistiger Ebene nicht mehr erreichen kannst.“
„Genau. Außer ich komme wieder so nah an diese Person ran, um seine Aura aufzunehmen“, ergänzte sie seine Ausführung und blickte noch einmal in den Befund. Vielleicht hatte sie etwas übersehen. Andererseits konnte sie sich das nicht vorstellen. Sie hatte ein Gehirn, das wie ein Kopierer funktionierte. Sie kannte die ersten Fälle wie ihr Spiegelbild.
„Und was verwirrt dich dann, wenn du sowieso weißt, dass sich die Aura eines Menschen verändern kann?“
Zu ihrem Erstaunen spürte sie seine Finger sanft unter ihrem Kinn. Sie sah zu ihm hoch. Ihre Blicke verhakten sich.
„Innerhalb dieser kurzen Zeit muss etwas Entscheidendes geschehen sein, um eine solche Änderung hervorzurufen. Ich kann ja auch nicht von heute auf morgen ein anderer Mensch werden. Veränderung braucht Zeit“, sagte sie vorsichtig. Seine Wärme verließ ihr Gesicht. Er hatte die Anspielung verstanden. „Dass die Farbe Schwarz sich darunter gemischt hat, ist auch seltsam. Ich würde sagen, der Mörder ist besessen von dem, was er tut. Und er ist noch nicht fertig.“
„Schwarz bedeutet also automatisch böse?“
Josy konnte verstehen, dass Will explizit nachfragte, denn wenn man sich nicht selbst in die Wahrnehmung eines anderen Menschen einklinken konnte, war es schwierig, sich darunter etwas vorzustellen. Außerdem war sie ihm dankbar dafür, denn durch Erläuterungen konnte sie die Wirkung, die er auf sie hatte, herunterspielen.
„Nein, nicht unbedingt. Schwarz definiert den Verlust von Gefühl. Sie ist das Negative, wenn du so willst. Schwarz kann also auch traurig oder unglücklich bedeuten. Genau das kann man durch diese Schwingungen, dieses Gespür, das man hat, wenn man einer Aura begegnet, unterscheiden. Es tut mir leid, ich weiß nicht, wie ich es besser beschreiben sollte.“ Sie hob ihre Schultern und senkte sie wieder.
„Ich glaube, ich hab’s kapiert.“
Sein Lächeln wärmte ihr Innerstes. Sie wollte es gerade erwidern, als sie im Augenwinkel eine Gestalt wahrnahm, die sich rasant näherte. Automatisch drehte sie sich um und sah ein Mädchen, das in einem weißen Kleid auf Will zugerannt kam, ihn ansprang und überschwänglich auf beide Wangen küsste. Josy hätte sich über die Mitbewohner besser informieren sollen, dann würde sie nicht dauernd überrumpelt werden.
„Ich suche dich schon die ganze Zeit“, quiekte das Mädchen vergnügt und ließ sich zurück auf den Boden stellen.
Wills Gesichtsausdruck erhellte sich, als er den blonden Engel betrachtete, der ihn großäugig anhimmelte. „Ich war in der Küche“, sagte er und seine Grübchen kamen zum Vorschein.
„Dachte ich es mir doch“, flötete sie fröhlich, und warf Josy fast unmerklich einen Seitenblick zu. „Eigentlich wollte ich dir Frühstück machen, aber ich vermute, du hast ohne mich gegessen.“
Ihr Tadel klang liebevoll, dabei zwinkerte sie. Das Mädchen war klein und zierlich,
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