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Techno der Jaguare

Techno der Jaguare

Titel: Techno der Jaguare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manana Tandaschwili , Jost Gippert
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konnte er ahnen, dass sie nicht nur wegen ihrer Ausdruckskraft, sondern vor allem wegen ihrer Form und ihrer übermäßig guten Ausarbeitung die Fähigkeiten eines Kindes seines Alters weit überstiegen.
    »Ja, das Kneten gefällt mir.« Diese Antwort entsprach weniger der Wahrheit als dem Wunsch, der Mutter zu gefallen.
    »Was knetest du denn so?«, fragte die Mutter sanft weiter.
    »Alles, was ich will …« Alexander zuckte mit den Schultern.
    »Was denn zum Beispiel? Sag mal … woran denkst du, wenn du Sachen aus Ton machst?«
    »Ich weiß nicht, Mama … ich denke nicht dabei.«
    Dieselben Fragen hatte ihm auch schon die Schulpsychologin gestellt, aber dabei war nichts herausgekommen. Alexander wusste nur eins: Seine Mutter liebte den Bildhauer, also musste Bildhauerei etwas Gutes sein. Lesen und Schreiben war wichtig, aber auch als Bildhauer kam man an.
    ***
    »Einfluss? Da kann ich Ihnen niemand Speziellen nennen«, antwortete der Künstler reserviert. »Der Mensch macht das, was er gut kann …«
    Lisa war kurz davor, zu verzweifeln. Normalerweise setzte sie ihre weiblichen Reize ein, wenn ein Interviewpartner allzu wortkarg war, und stellte ihm dann eine Frage, die ihn, und sei es auch nur wegen ihrer Verführungskünste, zum Reden brachte. Doch diese Methode, die bei hochrangigen Politikern schon ebenso gut funktioniert hatte wie bei Sozialarbeitern, konnte sie bei diesem Bildhauer leider nicht anwenden.
    »Jeder hat doch eine Quelle der Inspiration, jedes Schaffen hat einen Anfang, einen Auslöser … auch für das Schreiben eines Artikels braucht man eine Inspiration«, begann sie vorsichtig und stockte bei den letzten Worten, die so klangen, als würde sie ihn um Hilfe bitten. »Da ist zum Beispiel die Kunstlehrerin aus der Blindenschule, die einen gewissen Anteil an Ihrer Entwicklung als Bildhauer für sich beansprucht, genauso wie die Schulpsychologin, die behauptet, sie hätte als Erste Ihre Begabung erkannt. Es wäre sehr interessant, von Ihnen zu erfahren, wer oder was Ihre Kunst tatsächlich am meisten beeinflusst hat.«
    »Meine Blindheit«, antwortete Alexander grob.
    Lisa verstummte. Auf seinem Gesicht, das teilweise von der schwarzen Sonnenbrille verdeckt wurde, zeigte sich keine Regung. Schon die kleinste Pause wurde ihr unerträglich. Lisa ließ von ihren vorbereiteten Fragen ab und beugte sich vor.
    »In jeder Branche gibt es doch eine gewisse Konkurrenz. Ich will die Kunst nicht gerade mit einem harten Geschäft vergleichen, aber diese Tatsache lässt sich doch nicht leugnen«, setzte sie rasch hinzu. »Wie können Sie eigentlich die Werke Ihrer Kollegen beurteilen? In den Museen ist es ja nicht erlaubt, die Ausstellungsstücke anzufassen … Werden für Sie besondere Ausnahmen gemacht, damit Sie sich mit den Werken Ihrer Konkurrenz vertraut machen können … sie also … betasten können?«
    »Ich habe keine Konkurrenz.« Alexander ließ sie kaum ausreden.
    »Sind Sie …« Lisa wirkte bereits ziemlich verzweifelt. »Interessiert es Sie denn gar nicht, zu erfahren, was andere Künstler machen?«
    »Ich habe einen Assistenten, der mich über alles Wichtige informiert, sei es aus der Bildhauerei oder aus einem anderen künstlerischen Bereich.«
    In Lisa wuchs das Gefühl, dass sie sich nicht gut genug auf das Interview vorbereitet hatte. Inzwischen bereute sie die Entscheidung, dieses Gespräch unbedingt führen zu wollen. Bisher hatte sie aus ihrem Aussehen, ihren leuchtenden Augen und ihrem bezaubernden Lächeln bei allen Begegnungen einen entscheidenden Vorteil ziehen können, aber bei einem Blinden war das nun einmal unmöglich. Und jetzt saß sie ausgerechnet diesem blinden Künstler gegenüber, sie, eine aufstrebende Journalistin, deren Spezialgebiet soziale Themen waren, doch um diesem wortkargen Mann eine vernünftige Antwort zu entlocken, fehlte es ihr schlicht an Erfahrung.
    »Sie haben mir erzählt, dass Sie das formen, was Sie in Ihrer Kindheit gesehen haben.« Lisa sammelte wieder ihre ganze Kraft und griff dabei auf seine eigenen Worte zurück, um ihm keine neue Angriffsfläche zu bieten. »Dass Sie Ihre Welt von damals in Ton formen. Außer der Bewahrung Ihrer Erinnerungen und der visuellen Eindrücke – was genau heißt es für Sie, an Ihren Skulpturen zu arbeiten?«
    »Für mich ist das Modellieren alles«, sagte der Bildhauer und verstummte wieder.
    Lisa hätte ihn allzu gerne gefragt, warum er sich denn überhaupt auf dieses Interview eingelassen habe. Sie

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