Tee macht tot
Fenster!“
„Von meinem Fenster kann ich aber außer Wiese nichts sehen“, widersprach Agatha.
„Dann beobachten Sie Vögel!“
„Ich mag Vögel nicht.“
„Dann beobachten Sie die Bienen! Von mir aus züchten Sie auch welche in Ihrem Zimmer! Aber jetzt … stehen Sie auf und machen den Durchgang frei!“ Diese Agatha war aber auch wirklich eine hartnäckige Person. Mit der würde man sicherlich noch einiges erleben, dachte sich Margot.
Agathas Lippen bebten vor unterdrückter Wut.
Schwester Margot verschränkte ihre Arme vor der Brust und blickte Agatha abwartend an. „Jetzt!“, zischte sie nachdrücklich.
Mürrisch nahm Agatha ihren Stuhl und verzog sich in ihr Zimmer.
„Na sehen Sie, war doch nicht schwierig!“, sagte Schwester Margot, als hätte sie einem kleinen Kind zu einer guten Tat verholfen.
An diesen Abend hatte Agatha zwar ihren Posten verlassen, aber Schwester Margot würde nicht immer Dienst haben. Unzufrieden legte sich Agatha ins Bett und schaltete ihren Fernseher an.
Dass sich die anderen von Stockwerk drei noch im Gemeinschaftsraum mit seinem seniorengerechten Mobiliar treffen würden, wusste sie wohl, aber sie wusste auch, dass sie wenigstens an diesem Abend den Anweisungen der herrischen Schwester Folge leisten musste. Sollten die teeschlürfenden Greise doch machen, was sie wollen.
****
Auf jedem der sechs braunen Ohrensessel ließ sich behäbig jemand nieder, während sich der Rest auf die zwei dazupassenden Couchen zwängte.
Esther hatte eigens für diese Zusammenkunft besonders gründlich darüber nachgedacht, welche Kräuter an diesem Mittwochabend geeignet waren. Beruhigend und stärkend musste der Tee sein, ausgleichend und belebend. Sie brachte Scharfgarbe, getrocknete Heidelbeeren, Melisse und Johanniskraut mit. Sorgfältig wie immer, stellte sie Tassen bereit und setzte den Wasserkessel auf die kleinen Herdplatten, die in der Ecke des Raumes zur allgemeinen Verfügung standen.
Aufgebracht schnatterten die Senioren durcheinander. Das Thema „Agatha“ lag ihnen allen auf der Seele.
„Man sollte sie töten“, erklärte Ingrid van Brekelkam, als sich langsam Ruhe eingestellt hatte. Dabei guckte sie die anderen an, als würde sie zum Wettstricken laden.
Esther Friedrichsen unterbrach ihre Teezeremonie. „Wir sollen was?“
„Töööten!“, wiederholte Ingrid, als wäre das so normal, wie eine Runde mit dem Riesenrad zu fahren.
Ein Raunen ging durch die Runde. Zustimmend nickte die Gemeinschaft; einige kicherten verschämt ob ihrer boshaften Gedanken.
„Wir sollten die fiese Agatha aus dem Fenster schmeißen!“, erwog Frau Teifler, die mit ihrem Ehemann in Zimmer 7 lebte. Mit unaufhörlicher Beharrlichkeit strich sie ihrem Ehemann über den Kopf. Doch all ihre Bemühungen erwiesen sich als vergebene Liebesmüh. Am Ende spuckte sie sich in ihre Hand, und endlich hatte sie das geschafft, was sie die ganze Zeit gestört hatte. Das widerspenstige Haar blieb dort, wo sie es festgeklebt hatte.
Anklagend blickte Herr Teifler seine Frau an.
„Oder wir drücken ihr in der Nacht ein Kissen auf das Gesicht“, äußerte sich Lisa Müller aus Zimmer 14. Sie war mit ihren 72 Jahren die Jüngste im Stockwerk und wurde meist nur belächelt. Ihre Naivität schrieben die Bewohner ihrer Jugend zu.
„Sie ist eine ungute Frau. Das hat sie am ersten Tag schon gesagt. Agatha hat es nicht verdient, hier zu sein. Nicht in diesem Stockwerk, nicht in St. Benedikta.“ Ingrid war fest entschlossen, dieses Weib loszuwerden.
Zur Bestätigung nickten alle eifrig mit ihren Köpfen. Das, was Ingrid da sagte, traf eindeutig zu. Seit der Ankunft von Agatha Beinhard war nichts mehr, wie es war. Manche hatten gar Angst vor ihr.
Esther schüttelte den Kopf. „Nein!“, widersprach sie, „das dürfen wir nicht, das wäre Mord.“ Gewissenhaft füllte sie die mitgebrachten Kräuter in die bereitgestellten Tassen. „Könnte sie ihr nicht einfach den Donnerstagstee zubereiten? Sie würde ihn sogar selbst sogleich servieren.“
Überrascht sah Esther auf. „Der Donnerstagstee kann nur donnerstags ausgeschenkt werden“, wehrte sie sich gegen Ingrids absurde Idee. „Außerdem hat Agatha nicht um Tee gebeten.“ Über die Mordlust ihrer Nachbarin konnte sie sich nur wundern.
„Kann du bei Agatha nicht einmal eine Ausnahme machen?“, meldete sich Frau Teifler wieder zu Wort.
Ihr Mann hielt ihre Hände, damit sie nicht wieder an ihm rumfummelte.
„Freiwillig wird
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