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Teeblätter und Taschendiebe

Titel: Teeblätter und Taschendiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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erwarten Sie morgen für das Begräbnis?«
    »Es kommen bestimmt ziemlich viele«, erwiderte Joan. »Bei Beerdigungen strömen die alten Leutchen immer von überall her zusammen, wissen Sie. Wichtig ist vor allem, daß was über Chet in der Zeitung gestanden hat. Annie hat den Artikel ausgeschnitten und ans Schwarze Brett gehängt. Es ist zwar kein besonders schöner Artikel, aber immer noch besser als gar nichts. Das sage ich jedenfalls immer.«
    Annie meinte, das sage sie auch immer. »Ich werd' mir die Beerdigung auf keinen Fall entgehen lassen. Auch wenn ich mit Chet nicht sonderlich eng befreundet war.«
    »Hatte er denn überhaupt enge Freunde?« fragte Sarah.
    Annie schüttelte den Kopf. »Kann ich mir nicht vorstellen. Chet war nicht unfreundlich oder häßlich oder so, aber er war eben ein Einzelgänger. Harry Burr wollte ihn mal für unser Dameturnier aufstellen, aber Chet hat bloß gebrummt, er hätte keine Lust, seine Zeit mit Brettspielen zu vergeuden. Aber ich weiß, daß er manchmal im >Broken Zippen gewesen ist.«
    »Wann hast du denn Chet im >Broken Zippen gesehen?« Joan klang reichlich verstimmt. »Davon hast du mir nie was erzählt.«
    »Weil ich genau wußte, was du sagen würdest, Schatz. Okay, ich schau' eben ab und zu noch mal rein, aber wirklich nicht oft, ich seh' bloß nach, ob vielleicht jemand von der alten Trappe da ist. Das ist doch wirklich nicht schlimm, schließlich hab' ich dreiundzwanzig Jahre im >Zipper< gearbeitet, oder? Aber das war, bevor die Mädchen oben-ohne bedienten«, erklärte Annie Sarah. »Wahrscheinlich war' ich immer noch da, wenn diese blöde Kampagne gegen Büstenhalter als Symbole männlicher Unterdrückung nicht begonnen hätte.«
    »Das kann ich mir lebhaft vorstellen«, sagte Joan. »Was hat Chet denn im >Zipper< gemacht? O Gott, doch wohl nicht etwa Mädchen aufgerissen?«
    »Nein, bloß leere Weinflaschen von der Straße aufgelesen.«
    »Ach ja? Und wie oft hast du ihn gesehen?«
    »Nur ein- oder zweimal. Es war alles völlig harmlos. Ich weiß wirklich nicht, warum du dich so aufregst, Joanie.«

Mary Kelling schüttelte den Kopf. »Ich würde mir an Joans Stelle auch Sorgen machen, Annie. Die Gegend dort ist tatsächlich ziemlich gefährlich. Es wundert mich nur, daß Chet Arthur sich dorthin gewagt hat. Er war doch sonst immer so vorsichtig. Du erinnerst dich doch bestimmt auch noch, daß er sich immer geweigert hat, auch nur einen Fuß in die Back Bay zu setzen, nicht?«
    »Klar erinnere ich mich«, sagte Annie. »Ich hab' vorhin noch zu Joan gesagt, ist das nicht merkwürdig, daß man seine Leiche ausgerechnet drüben in der Nähe der Mass Ave gefunden hat? Wo er uns doch immer damit in den Ohren gelegen hat, daß die großen Gebäude wie der Hancock Tower und das Prudential Center irgendwann unterspült werden und umkippen und die Menschen unter sich begraben. Das war das einzige Thema, über das er ständig geredet hat.«
    »Über sein Testament hat er auch geredet«, erinnerte Joan ihre Freundin.
    »Reden kann man das eigentlich nennen. Er hat uns bloß gefragt, ob wir seine Zeugen sein wollen, und wir haben ja gesagt.«
    »Das war aber sehr nett von euch«, sagte Mary. »Wann hat Chet denn sein Testament gemacht?«
    »So etwa vor 'nem Monat. Er hat wahnsinnig geheimnisvoll getan, als war' er der Spion, der aus der Kälte kam, höchstpersönlich. Er hat mich und Joanie irgendwann morgens in der Küche besucht, gegen Viertel vor zehn oder so. Wir machen doch immer 'ne kleine Pause nach dem Frühstück, bevor wir anfangen, das Mittagessen vorzubereiten. Jedenfalls waren wir drei ganz allein und ungestört, und da hat er das Testament rausgezogen, das er aufgesetzt hatte, und uns unterschreiben lassen.«
    »Er hat gesagt, er hat das Formular in 'nem Schreibwarengeschäft gekauft«, sagte Joan. »Es war nur noch nicht unterschrieben, wissen Sie. Chet hat gesagt, wir sollen zusehen, wie er unterschreibt. Und dann mußten wir auch unterschreiben, um zu bezeugen, daß er und niemand anderer es unterschrieben hatte. Er hat gesagt, dadurch wird sein Testament erst gültig.« Sie zuckte mit den Achseln. »Also haben wir unterschrieben. Warum auch nicht? Hat ja keinem geschadet, oder?«
    »Dann hat Mr. Arthur ja alles ganz korrekt gemacht«, sagte Sarah. »Hat er Ihnen gezeigt, was er in seinem Testament verfügt hat?«
    »Nein, nur den vorgedruckten Teil, daß er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist«, sagte Joan.
    »Was soll's. Soweit wir wissen, war

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