Teeblätter und Taschendiebe
hätte etwas mit einem Fall zu tun, an dem ich gerade arbeite, und daß ich die Substanz analysieren lassen wollte.«
Dolph nickte seiner Frau vielsagend zu. »Siehst du, Liebes, kein Grund zur Sorge. Teufel auch, ich bin in meinem Leben schon größere Risiken eingegangen.«
Jem feixte. »Hochinteressant. Wann beispielsweise?«
»Beispielsweise damals, als Onkel Fred versucht hat, die Mädchen in Madame Jolenes Palais de Joie auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. Osmond Loveday hat vor Stress fast einen verdammten Herzinfarkt bekommen. Daran nahm jedoch Jolene An-stoß, und Jolene hatte hervorragende Beziehungen. Sie hätte Onkel Fred und mich um ein Haar hinter Gitter gebracht, weil sie gegen uns Anzeige wegen moralischer Verworfenheit erstattet hat. Ich habe mich damals aus der Sache herauswinden können, also werde ich auch hiermit fertig, wenn es sein muß. >Mein Haupt ist blutig, aber ungebeugt^ für den Fall, daß ihr es noch nicht bemerkt habt.«
»Ach ja?« sagte Jem. »Ich bin immer so angewidert von dem scheußlichen Gesamteindruck, den du auf einen machst, daß ich die Einzelheiten nie richtig wahrnehme. Blutig, aber ungebeugt, hast du gesagt?«
Während Dolph verzweifelt versuchte, sich eine passende Gemeinheit für seinen Gegenschlag einfallen zu lassen, machte sich Theonia daran, die Lage zu entschärfen. »Ich hatte schon immer das untrügliche Gefühl, daß unser lieber Dolph >der Meister seines Schicksals und der Kapitän seiner Seele< ist. Das ist dir doch sicher auch schon aufgefallen, nicht wahr, Jem?«
Jem blieb nichts anderes übrig, als sich der Übermacht zu beugen. Der Kapitän seiner Seele räusperte sich und übernahm das Kommando an Deck.
»Also dann: >Auf in den Kampf, Leute. Vergeßt die verdammten Torpedos! Volle Kraft voraus!< Redfern hält es für besser, daß wir nichts über das Testament verlauten lassen, mit Ausnahme der obligaten Anzeige der gerichtlichen Testamentsbestätigung. Aber wir sollten uns trotz allem nicht davon abhalten lassen, unseren Auktionsabend abzuhalten, und zwar so schnell wie möglich. Die Zeit drängt. Mary möchte, daß ein Teil des Gebäudes noch vor Weihnachten bezugfertig ist, wenn es sich irgendwie bewerkstelligen läßt.«
»Falls es nicht klappt, haben wir bis Ostern vielleicht schon die Hälfte unserer Mitglieder verloren.« Mary seufzte. »Sobald es kalt wird, sind die Obdachlosenheime furchtbar-schnell überfüllt, und es gibt kaum Zimmer, die so preiswert sind, daß unsere Mitglieder sie bezahlen können. Die Hälfte der Leute schläft in den Busbahnhöfen. Wie bald können wir die Versteigerung abhalten, Sarah?«
»Wann möchtest du sie denn abhalten?«
»Am liebsten schon morgen, aber ich weiß selbst, daß das unmöglich ist. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie man so eine vornehme Veranstaltung vorbereitet. Vielleicht irgendwann nächsten Monat? Meinst du, das ließe sich machen?«
»Wie wär's mit Samstagabend?«
Mary schnappte nach Luft. »Jetzt, kommenden Samstag? Schaffen wir das denn?«
»Ich sehe keinen Grund, warum wir es nicht schaffen sollten. Wir sagen einfach, es sei eine Art Überraschungsauktion. Ich bin sicher, einige Besucher werden ziemlich sprachlos sein, wenn sie sehen, welche Objekte wir versteigern. Ich entwerfe heute abend noch eine Einladung und bringe sie morgen früh als erstes zu einem Kopierla-den, dann können wir sie schon morgen abend losschicken, wenn Mr. Loveday bis dahin seine Liste fertig hat und Theonia uns beim Adressieren hilft. Onkel Jem, du wirst unser Auktionator. Ich weiß niemanden, der sich für diese Rolle besser eignet.«
»Ich auch nicht«, sagte Jeremy Kelling. »Leider bin ich aber am Samstag abend bereits bei den Whets zum Dinner eingeladen.«
»Sag einfach, es wäre ein Notfall, und lade sie ein, mit ihren Gästen vorbeizukommen. Wir werden Wein und Snacks reichen. Dolph, du hast doch noch all die Kisten mit Champagner, die Großonkel Frederick 1978 für die große Siegesfeier gekauft hat, die dann wider Erwarten nicht stattgefunden hat, weil der Kandidat, den er unterstützt hat, verloren hat. Das Zeug muß ohnehin endlich getrunken werden, Champagner hält sich schließlich nicht ewig. Theonia, hat Mariposa vielleicht Verwandte, die man zum Servieren und Kellnern anheuern könnte?«
»Liebste Sarah, es ist gar nicht notwendig, jemanden anzuheuern. Charles kennt massenweise junge Schauspieler und Schauspielerinnen, die kein Engagement haben und für eine kostenlose
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