Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Teeblätter und Taschendiebe

Titel: Teeblätter und Taschendiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
Loveday seinen Posten an der Tür auf.
    »Wo gehen Sie hin?« erkundigte sich Sarah.
    »Ich werde die Gäste willkommen heißen und Ihnen kurz den Zweck der Auktion erläutern.«
    »Das lassen Sie schön bleiben.« Jetzt war wirklich nicht der Zeitpunkt für Höflichkeiten. »Dolph wird stinksauer sein, wenn Sie die Auktion jetzt unterbrechen. Bleiben Sie lieber an der Tür stehen. Es kommen immer noch Gäste, und jemand muß sie schließlich hereinlassen. Es sei denn, Sie möchten lieber Champagner servieren und Ihren Platz an der Tür einem der Schauspieler überlassen«, fügte sie hinzu, wohl wissend, daß Loveday eher sterben würde, als dies zuzulassen.
    Glücklicherweise traf just in diesem Moment Apollonia Kelling mit ihrem Troß ein, der samt und sonders völlig aus dem Häuschen war. »Ich war mir so sicher, daß ich den Weg hierher finden würde wie eine treue, graue Taube auf dem Weg zu ihrem Heimatschlag« - keuchte Appie -, »aber irgendwie muß ich mich ein klitzekleines bißchen mit der Richtung vertan haben.«
    »Und wir kennen jetzt jede Straße von hier bis West Roxbury«, beschwerte sich eine ihrer Begleiterinnen, eine Dame in Appies Alter, die von Hut bis Socke in merkwürdige Kleidungsstücke gehüllt war, die alle aus derselben maulbeerfarbenen Wolle gestrickt worden waren. Auch ihr Gesicht war maulbeerfarben. Sarah identifizierte sie als eine gewisse Mrs. Plinth. Die superschlaue Mrs. Plinth, wie Appie sie immer nannte. Warum, wußte niemand, doch es war klar, daß eine Freundin von Mrs. Apollonia Kelling so superschlau sein konnte, wie es Appie paßte, jedenfalls soweit es Osmond Loveday betraf.
    Er führte die Neuankömmlinge fort, damit sie sich aus ihren diversen Jacken und Mänteln schälen und am Champagnertisch erfrischen konnten, bevor sie sich setzten und ihre Geldbörsen öffneten. Oder auch nicht, was wohl eher zu erwarten war. Sarah setzte keine großen Hoffnungen in Appies Freunde, doch es gab schließlich genügend andere Besucher. Als sie einen Blick in den Ballsaal warf, war die Auktion bereits in vollem Gange.
    Jeremy Kelling war der perfekte Auktionator, er redete wie ein Buch, war amüsant, sprudelte Informationen hervor, die Max ihm über die einzelnen Auktionsstücke zuflüsterte, spickte alles mit Familienanekdoten, die zum größten Teil von ihm erfunden und fast immer ein wenig boshaft waren, und animierte die Menge auf diese Weise, sogar bei den langweiligsten von Dolphs angeblichen Familienerbstücken wie verrückt zu bieten. Sarah wäre am liebsten geblieben und hätte sich die unterhaltsame Vorstellung weiter angesehen, doch da Osmond Loveday der superklugen Mrs. Plinth gegenüber deutliche Symptome schwerer Hingerissenheit zeigte, hielt sie es für besser, zur Tür zurückzukehren.
    »Was für eine Affenschande! Die Welt hat ein absolutes Verkaufsgenie verloren, als Jem beschlossen hat, sein Leben der Verfolgung von Revuegirls zu widmen«, bemerkte Dolph, als er kurz darauf hinaus in die Eingangshalle kam. »Was machst du denn hier?«
    »Momentan gar nichts«, antwortete Sarah wahrheitsgemäß. »Wie geht es Mary?«

»Sie amüsiert sich königlich. Sieht sie nicht wieder phantastisch aus?«
    Mary trug das blaue Kleid, das sie an dem Tag ihrer ersten Verabredung mit Dolph getragen hatte. Damals war es das einzige vorzeigbare Kleidungsstück gewesen, das sie besessen hatte. Typisch Mary, dieses Kleid ausgerechnet heute, am Tage ihres Debüts als Gastgeberin und Hausherrin zu tragen, dachte Sarah.
    »Sie ist wunderbar, Dolph«, sagte sie wahrheitsgemäß. »Beim nächsten Wohltätigkeitsfest solltet ihr unbedingt einen Walzerabend veranstalten, damit du richtig mit ihr angeben kannst.«
    »Ich weiß nicht, ob das Mary gefallen würde«, brummte Dolph. »Aber Loveday wäre bestimmt hochentzückt. Der blöde Idiot, kreuzt hier doch tatsächlich im Smoking auf wie ein Oberkellner in einem gottverdammten Nachtclub. Wo ist er denn jetzt schon wieder? Ich dachte, er steht an der Tür und begrüßt die Gäste?«
    »Tante Appie ist soeben mit ihrem Gefolge eingetroffen, und jetzt sorgt er dafür, daß alle ihre Plätze finden. Wie viele Leute sind inzwischen da, Dolph?«
    »Über dreihundertfünfzig, sagt Porter-Smith. Ich hoffe bei Gott, daß es nicht noch mehr werden.«
    »Einige gehen sicher schon früh.« Sarah hoffte, daß sie wußte, wovon sie sprach. »Was macht der Champagner?«
    »Noch gibt es genug von dem Zeug. Keiner trinkt sonderlich viel. Jem hat sie alle

Weitere Kostenlose Bücher