Teeblätter und Taschendiebe
Phyllis selbst überfallen, oder? Und so habt ihr der Polizei die Fotos und das Rauschgift ausgehändigt und seid dadurch die Verantwortung los, ohne Dolph und Mary mit in die Sache hineingezogen zu haben. Das war ein absolut brillanter Schachzug, und das weißt du auch. Hast du Lust auf Nachtisch?«
»Und ob ich Lust habe. Komm mal her, Schatz.«
Kapitel 19
Am nächsten Morgen verließ Sarah das Haus, während Max sein Ferngespräch mit Pepe Ginsberg führte, nahm ein Taxi und traf um halb zehn in ihrer Arbeitskleidung in Chestnut Hill ein. Da Theonia keine Gelegenheit gehabt hatte, die Kostüme für die jungen Schauspieler und Schauspielerinnen auszusuchen, begab sich Sarah als allererstes auf den Speicher. Leider verbrachte sie dort sehr viel mehr Zeit als geplant, da Mary keinen blassen Schimmer hatte, in welchen der unzähligen Kisten und Koffer sich die gesuchten Kleidungsstücke befanden.
»Ich hätte hier längst ordentlich ausmisten müssen«, entschuldigte sich Mary. »Aber ich bekomme schon kalte Füße, wenn ich den ganzen Plunder nur sehe. Am liebsten würde ich eine Entrümpelungsfirma kommen lassen, aber du kennst ja Dolph!«
»Mich stört es nicht. Ich stöbere gern ein bißchen herum«, log Sarah tapfer. »Warum gehst du nicht in den Garten und pflückst so viele Blumen, wie George dir erlaubt? Der Frost wird ohnehin die meisten davon ruinieren, da ist es sicher besser, wenn wir sie vorher noch richtig genießen. Tante Emma sagt immer, es gibt nichts Schöneres als möglichst viele tolle Blumenarrangements, um einen Raum festlich zu gestalten und die Stimmung aufzulockern.«
»Hoffentlich lockert es auch die Portemonnaies auf. Was genau meinst du mit >viele Einen Eimer voll? Oder mehr?«
»So viele Eimer wie möglich. Wenn man noch nie ein Arrangement gemacht hat, kann man sich gar nicht vorstellen, wie viele Blumen man dafür braucht.«
Fast den ganzen Vormittag war Mary mit dem Blumenpflücken beschäftigt, und es schien ihr wirklich gut zu tun. Als sie schließlich wieder aus dem Garten zurückkam, entspannt, mit rosigen Wangen und schmerzendem Rücken, hatte Sarah einen Schwung wunderschöner Jungmädchen-Kleider aus den zwanziger Jahren ausgegraben. Wahrscheinlich stammten sie noch von Dolphs Mutter, die zu Lebzeiten als kokett gegolten und einst bei einem Debütantinnenball sogar einen Charleston aufs Parkett gelegt hatte. Für die Jungs hatte sie mehrere Strohhüte, etliche Melonen, Blazer sowie Pullover mit grotesk breiten Halsbündchen entdeckt.
Sie aßen eine Kleinigkeit zu Mittag, wobei Sarah wieder ihr unvermeidliches Glas Milch trank, und begannen danach, die Blumen zu verteilen. Allmählich nahmen die großen, kahlen Räume Farbe an.
Mary hatte Dolph früher als sonst zum Center geschickt, weil sie genau wußte, daß er ihr andernfalls mit seinen hilfreichen Vorschlägen nur auf die Nerven gegangen wäre. Er kam um halb fünf wieder zurück und hatte Harry Burr, Jeremy Kelling und Jems treuen Kammerdiender Egbert im Schlepptau. Kurz darauf traf auch Max mit einem Wagen voller halbflügger Thespisjünger ein, setzte sie an der Tür ab und fuhr sofort wieder los, um Nachschub zu holen.
Sarah hätte ihn liebend gern gefragt, ob es etwas Neues zu berichten gab, doch sie mußte sich um die Kostüme der Schauspieler kümmern, ihnen ihre Aufgaben zuweisen und Onkel Jem in Schach halten. Max und Dolph hätten eigentlich wissen müssen, daß ein Schwärm junger Damen in knappen Kleidern aus den Wilden Zwanzigern mit Kunstseidenstrümpfen Jems betagte Hormone gefährlich in Wallung bringen würden.
Außerdem mußten natürlich alle beköstigt werden. Die arme Genevieve konnte unmöglich genügend Cocktailhäppchen für die erwarteten Menschenmassen vorbereiten, zweitausend Käsestangen backen und auch noch ein Abendessen für die versammelte Mannschaft kochen. Sie war daher Sarahs Vorschlag gefolgt und hatte Platten mit Schinken- und Hühnchensandwiches angerichtet und Großtante Matildas zweitgrößte Suppenterinne mit klarer Brühe gefüllt, die aus Bechern getrunken werden konnte. Wer Hunger verspürte, was bei Schauspielern anscheinend ein Dauerzustand war, ging einfach hin und bediente sich selbst.
Alkohol wurde den jungen Leuten nicht angeboten. Mary hatte Sarah um Rat gefragt, und Sarah hatte sich mit Bestimmtheit dagegen ausgesprochen. »Lieber nicht, Mary. Sie sind noch so jung, daß sie vielleicht nicht wissen, wann sie aufhören müssen. Du willst doch sicher keinen
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