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Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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Kastner, den Nonnenmacher als Mitarbeiter sehr schätzte, hatte vor lauter Verliebtheit vollkommen den Verstand verloren.
    Nach dem Besuch beim Kinderarzt ging es Lisa schon wieder besser. Der Arzt hatte Anne beruhigt, dass ihre Tochter nichts Schlimmes habe und sie in ein paar Tagen wieder gesund sein werde. Doch als beide zu Hause ankamen, war kein Bernhard mehr da. Anne versuchte, ihn auf seinem Handy zu erreichen, doch nach dem ersten Freizeichen hörte sie sein Mobiltelefon aus dem Wohnzimmer klingeln. Bernhard hatte es nicht mitgenommen. Anne machte sich Sorgen. Nicht, weil sie glaubte, dass Bernhard einen Gehirntumor oder eine andere schwere Krankheit haben könnte, sondern weil sie befürchtete, er könnte sich in dem Angstzustand, in dem er sich befand, etwas antun.
    Â»Wo ist Bernhard?«, fragte Lisa.
    Â»Der ist auch zum Arzt gefahren«, spiegelte Anne eine Gewissheit vor, die sie nicht hatte. Sie wollte nicht auch noch Lisa verunsichern.
    Â»So, du nimmst jetzt erst einmal deinen Hustensaft, und dann kuschelst du dich ins Bett und hörst eine CD an.«
    Â»Darf ich ›Die wilden Hühner‹?«
    Â»Meinetwegen darfst du ›Die wilden Hühner‹.«
    Â»Mama, muss Bernhard jetzt sterben?«
    Â»Nein, meine Fee, Bernhard muss nicht sterben.«
    Â»Aber er hat gesagt, dass er sterben muss«, insistierte das Kind.
    Â»Bernhards Krankheit ist die Krankheit, dass er glaubt, dass er krank ist. Er ist es aber nicht.«
    Â»Ist Bernhard gar nicht krank?«
    Â»Doch, schon, aber eben nicht so, wie er denkt. Er denkt, er sei krank – das ist das Kranke an ihm, weil er eigentlich keine Krankheit hat.«
    Â»Dann ist Bernhard aber dumm.«
    Â»Nein, er ist nicht dumm, im Gegenteil, das ist ja das Problem, er ist …«, sie dachte kurz nach, »ach, ist ja auch egal. Der wird schon wiederauftauchen.«
    Als Lisa im Bett lag und Anne gerade das Zimmer verlassen wollte, fragte sie: »Mama, liest du mir was vor?«
    Â»Ja, gleich, ich muss jetzt aber schnell telefonieren. Weißt du, eigentlich ist jetzt für mich Arbeitszeit.«
    Â»Mit wem musst du telefonieren?«
    Â»Mit einem Mann, dessen Vater vor Kurzem gestorben ist.«
    Â»Und warum musst du mit dem telefonieren?«
    Â»Weil er vielleicht … wie soll ich sagen, weil mit seinem Tod etwas komisch ist.«
    Â»Was ist mit seinem Tod komisch?«
    Â»Na ja, der Mann war nicht krank. Und jetzt ist er tot. Da muss ich herausfinden, was passiert ist.« Anne wollte mit allen Mitteln verhindern, dass Lisa die genaueren Umstände von Fichtners Tod mitbekam. Sie wusste nämlich, dass Kinder zwar mit einem Todesfall an sich klarkommen können, wenn er sie nicht direkt betrifft. Andererseits befürchtete sie aber, dass Lisas natürliches Sicherheitsgefühl ins Wanken geraten würde, wenn sie erfuhr, dass Fichtner sich aufgehängt hatte – oder, noch schlimmer, umgebracht worden war. Anne startete die CD und ging nach unten, um den älteren der beiden Fichtner-Brüder, den Geschichtsstudenten Andreas Fichtner, anzurufen. Weil sie seine Nummer nicht hatte und auch nicht wusste, wo Bernhard sie aufbewahrte, rief sie bei Fichtners Mutter an. Die war zu ihrem Erstaunen freundlich und gab ihr sogar die Handynummer, weshalb Anne nur ein paar Minuten später Andreas Fichtner am anderen Ende der Leitung hörte.
    Â»Ja, hallo?«
    Â»Guten Tag, hier spricht Anne Loop von der Polizei Bad Wiessee. Mit wem spreche ich bitte?«
    Â»Andreas Fichtner.«
    Â»Herr Fichtner, Sie haben sicher von Ihrer Mutter oder Ihrem Bruder gehört, dass wir gerade dabei sind, die genaueren Umstände des Todes Ihres Vaters zu ergründen. Da hätte ich auch gerne noch mit Ihnen gesprochen. Wann sind Sie denn wieder in Tegernsee?«
    Â»Ich bin eh da.«
    Jetzt war Anne überrascht. »Sie sind gar nicht in München?«
    Â»Nein, ich bin da.«
    Â»Und Ihre Mutter weiß nichts davon?«
    Â»Ja, das kann sein.«
    Â»Und was machen Sie gerade?«
    Â»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen das sagen muss, oder?«
    Anne war irritiert. »Wäre es möglich, dass Sie morgen in die Dienststelle kommen, zu einer unverbindlichen Befragung?«
    Â»Nein, das geht nicht, morgen muss ich wieder in München sein, wegen einem Seminar.«
    Â»Herr Fichtner, es geht um den Tod Ihres Vaters.«
    Â»Ich wüsste nicht, was es da noch zu bereden gäbe.«
    Anne

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