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Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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wollte vermeiden, zu großen Druck auf Fichtner auszuüben. Schließlich hatte Nonnenmacher ihr gesagt, sie solle eher verdeckt und unauffällig ermitteln. Wenn sie bei Fichtner nun polizeilichen Zwang anwandte, um ihn einzubestellen, fürchtete sie, dass sich das binnen kürzester Zeit am Tegernsee herumsprechen würde. Deshalb fragte sie: »Wissen Sie, ich bin die Freundin vom Bernhard von Rothbach.«
    Â»Vom Bernhard? Wirklich? Das glaub’ ich nicht!« Er klang tatsächlich positiv erstaunt.
    Â»Warum sollte ich Sie denn anlügen?«
    Â»Mit dem Bernhard hab’ ich ja erst gerade telefoniert.«
    Â»Weil er für einen Freund einen guten Kletterer gesucht hat, nicht wahr?«, sagte Anne und freute sich, dass sie so beweisen konnte, dass es stimmte, was sie behauptete.
    Â»Ach, das wissen Sie?« Andreas Fichtner schien jetzt Vertrauen zu fassen. »Das ist ja interessant. Dass der Bernhard jetzt mit einer Kriminalkommissarin zusammen ist.«
    Anne verzichtete darauf zu klären, dass sie erstens keine Kommissarin und zweitens nicht bei der Kripo war, sie sagte einfach nur: »Ja, wir sind vor ein paar Tagen zusammen hier nach Tegernsee gezogen.«
    Â»Ach was!«, antwortete Fichtner überrascht. »Das hat er mir gar nicht erzählt. Ist der Bernhard jetzt da?«
    Â»Ja klar«, log Anne. »Kommen Sie doch auf einen Kaffee vorbei. Das Haus von Bernhards Eltern kennen Sie, oder?«
    Â»Da direkt am See bei der Villa unten, oder? Ja, da komme ich hin. Den Bernhard habe ich ja schon ewig nicht mehr gesehen.«
    Nachdem sie aufgelegt hatte, fühlte Anne sich ein bisschen schlecht, weil sie für ihre Ermittlungen nicht nur ungefragt Bernhards persönliche Kontakte missbraucht, sondern auch noch gelogen hatte. Aber rechtfertigte nicht diese saublöde Ermittlungssituation ihr Handeln? Schließlich konnte sie wegen Nonnenmachers einschränkenden Vorgaben im Fall Fichtner ja gar nicht anders vorankommen als auf diesem unseriösen Weg, der eben auch Lügen mit sich brachte.
    Eine halbe Stunde später stand Andreas Fichtner vor der Tür. Anne bat ihn herein und führte ihn in das Wohnzimmer mit Seeblick.
    Â»Und wo ist der Bernhard?«
    Â»Oh, der lässt sich entschuldigen. Er musste ganz schnell in die Uniklinik nach München, weil er spontan einen Termin bekommen hat bei einem Experten, der sonst nie welche freihat.« Als Anne sah, dass Andreas Fichtner überaus misstrauisch schaute, schob sie nach: »Bernhard befürchtet, einen Gehirntumor zu haben.«
    Â»Echt?«
    Â»Ja. Soll ich uns einen Kaffee machen? Jetzt, wo Sie schon da sind? Wir beide können Bernhard nun sowieso nicht helfen, oder?«
    Anne spürte, dass Andreas Fichtner die ganze Geschichte noch immer etwas komisch fand, aber da kam ihr das Glück zur Hilfe, denn Lisas Stimme gellte durch das Haus: »Maami, ich habe Huunger!«
    Zu Andreas Fichtner sagte Anne jetzt: »Oh, das ist meine Tochter. Sie ist krank.« Und zu Lisa rief sie hinauf: »Ich mache dir ein Marmeladenbrot, ja?«
    Â»Kommen Sie, Herr Fichtner, gehen wir kurz zusammen in die Küche.«
    Dort setzte Anne die kleine Espressokanne auf und schmierte ein Brot. Als sie das Messer beiseitegelegt hatte, holte sie zu einem wohldurchdachten verbalen Stoß gegen Fichtner aus. »Herr Fichtner, könnten Sie sich vorstellen, dass Ihr Vater eine Freundin hatte?«
    Anne war überrascht, wie ungerührt Fichtner nur mit »Nein« antwortete. Die Frage schien ihn überhaupt nicht zu berühren. Dann schwieg er.
    Â»Könnten Sie sich vorstellen, dass er Kontakte ins Rotlichtmilieu hatte?«, hakte Anne nach.
    Â»Wieso fragen Sie das? Ach so, jetzt verstehe ich, was hier läuft: Sie wollen mich hier vernehmen. Sie haben mich hierher gelockt. Diese ganze Bernhard-Geschichte ist gelogen. Der war vorhin schon weg oder gar nie da. Sie haben mich gelinkt. Sie, Sie … das …«
    Anne dachte einfach nur: Scheiße. Scheiße, Scheiße. Um sich ihre Unruhe nicht anmerken zu lassen, nahm sie den Küchenschwamm und begann die Arbeitsplatte abzuwischen. Natürlich hatte sie gelogen, aber was sollte sie denn machen? Ihr waren die Hände gebunden. Bernhard war quasi gerade unzurechnungsfähig, Lisa war krank, Sepp Kastner hatte einen Knall, und ihr lief die Zeit davon. Der Todesfall lag genau eine Woche zurück. Wenn eine Obduktion der Leiche noch etwas

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