Tegernseer Seilschaften
es nicht fassen. Woher wusste Schimmler das?
»Na ja, seine Mutter ist ja auch nicht ganz ⦠und der Vater ist ja eher ein schwacher Mann, wenn man ihn kennt â¦Â« Nachdenklich schaute er in Richtung See.
»Was machen Sie eigentlich hier?«, fragte Anne, die diese Aussagen über Bernhards völlig normale Eltern â sein Vater war ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen und heute pensioniert â als regelrecht unverschämt empfand und beschlossen hatte, aus der Defensive zu kommen.
»Ach, ich ⦠ich habe nur nach dem Rechten gesehen, gell. Wenn Sie so selten da sind, kann ja jederzeit etwas passieren, nicht wahr. Wir haben hier ja eine noble Wohnlage, Malerwinkel, etceterapepe, da kann schon wer auf dumme Gedanken kommen.«
Anne beschloss, ihn einfach stehen zu lassen, letztlich war es ja auch egal, ob er nun in ihrem Garten herumstand oder nicht. Doch als sie sich abwandte, sagte Schimmler: »Wir haben ja jetzt noch eine neue Nachbarin, gell.«
Anne zuckte mit den Schultern.
»Das ist eine!«, fuhr Schimmler fort.
Anne sah ihn abwartend an.
»Das müssenâs sich mal vorstellen: Gestern lag die den ganzen Nachmittag im Garten, dass manâs von der StraÃe her sehen konnte. Und jetzt ratenâs mal, was die anhatte!«
Anne zuckte mit den Schultern.
»Einen Tanga!«
»Na und?«, so Anne.
»Ja nix âºna undâ¹, das ist eine richtig fette Pflunzen! Wie das aussah! Das müssen Sie sich einmal anschauen! Also, ich habâ ja nicht hingeschaut, aber meine Frau hat es gesagt ⦠Im Tanga lag die fette Pflunzen im Garten!«
Anne wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.
»Ich meinâ, ich tätâ ja nix sagen, wenn eine Person wie Sie im Garten liegen tätâ. Aber so eine fette Pflunzen! Unmöglich! Das ist ja ⦠Umweltverschmutzung!«
Anne nahm Lisa an der Hand und sagte: »Komm, wir packen unsere Sachen und fahren nach München.«
»Nein, halt, jetzt warten Sie, ich bin noch nicht fertig«, bremste Schimmler sie aus: »Jetzt raten Sie mal, was die Pflunzen auf ihre Wäscheleine gehängt hat. Raten Sie!«
Wieder zuckte Anne ratlos die Schultern.
»Schlüpfer, BHs, Seidenstrümpfe, da hat man alles gesehen! Was meinen Sie, wie meine Frau da gâschaut hat!«
Anne lieà Schimmler einfach stehen. Dennoch hörte sie noch, wie er ihr hinterherrief: »Ja also, wenn Sie dann in München sind, schau ich hier nach dem Rechten, gell. Sindâs lange weg?«
Die Frage blieb unbeantwortet.
Da Lisa auf der Fahrt nach München eine CD anhörte und Anne diese längst auswendig konnte, hatte sie den Kopf frei, um über sich und Bernhard nachzudenken. Ganz bewusst hatte sie ihm ihren Besuch nicht angekündigt. Wenn er mit einer anderen im Bett liegen sollte, wäre es sowieso aus. Solche Spielchen waren mit ihr nicht zu machen. No way. Dann würde sie auch sofort aus dem Haus seiner Eltern ausziehen und sich wieder nach München versetzen lassen. Jetzt konnte sie noch die Notbremse ziehen. Lisa war noch nicht eingeschult, Anne musste sie nirgendwo herausreiÃen.
Klar war auch: Wenn keine andere Frau im Spiel war, sondern es wirklich nur um seine Krankheit ging, würde sie ihn nach Hause holen, jetzt sofort, ganz gleich, ob er behauptete, krank zu sein oder nicht. So konnte es nicht weitergehen. Seine irrationalen Ãngste machten sie wahnsinnig. Gab es denn kein Medikament, mit dem man diesen hypochondrischen Schüben Einhalt gebieten konnte?
Die letzten Telefonate mit ihm hatten zudem ein tiefes Misstrauen in ihr geweckt: Was, wenn er ihr das alles nur vorspielte? Konnte er krank sein, wenn er gleichzeitig mit einer WG -Mitbewohnerin abends ausging? Warum ging er dann nicht mit ihr, Anne, aus? Warum lieà er sie so hängen? Sie brauchte ihn. Allein seine Anwesenheit entlastete sie bereits. War das so schwer zu begreifen?
Die Autofahrt war im Nu vorbei. Zudem hatte Anne Glück. Sie fand einen Parkplatz beinahe direkt vor dem Haus. Bernhard wohnte in einer StraÃe am Glockenbach-Spielplatz. Doch da es schon nach acht Uhr war, hatten alle Mütter ihre kleinen Kinder bereits in die viel zu kleinen Stadtwohnungen verräumt. Seit das Viertel einen in Deutschland einzigartigen Babyboom erlebte, gab es in diesem Teil der Stadt keine bezahlbaren Vierzimmerwohnungen mehr.
»Du kannst morgen rüber zum Spielen, Lisa«, tröstete Anne
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