Tegernseer Seilschaften
jetzt?« Kurz schwieg er, dann wieder zu Anne: »Ja, wann kommst du denn wieder?«
»Morgen. Was ist denn passiert?«
»Tja, also ⦠der Kürschner ist tot.«
»Und wer ist der Kürschner?«, fragte Anne genervt.
»Das ist ein weltbekannter Milliardär. Der Chef meint, du musst kommen, weil sonst brennt der Himmel.«
Teil 3
Es war ein hässlicher Anblick, der sich Anne Loop bot, als sie in der Abenddämmerung den kürschnerschen Swimmingpool im Grundnerhof betrat. Das in glänzend schwarze Marmorfliesen gefasste Schwimmbad war etwa zu einem Drittel mit einer weiÃlichen Flüssigkeit gefüllt. Mittendrin in der Brühe trieb ein menschlicher Körper, um den herum sich die milchfarbene Flüssigkeit in unregelmäÃigen, rötlich-rosafarbenen Schlieren verdunkelte. Das Rote bildete unregelmäÃige Formen, Strahlen, Blasen ins WeiÃ. Von der Leiche zum Beckenrand führte eine breitere rötliche Schliere, die ihren Ursprung auf den Fliesen auÃerhalb des Pools hatte. Wenige Zentimeter vom Rand entfernt war ein gröÃerer Blutfleck. Die Luftfeuchtigkeit im Raum war hoch. Das Blut war noch nicht vollständig festgetrocknet. Das Gesicht der Leiche, die halb seitlich im Wasser lag und deren FüÃe in der milchigen Suppe verschwanden, als hätte sie jemand abgesägt, war schmerzverzerrt.
Für einen Augenblick fühlte sich Anne an eine Ausstellung der Wiener Aktionisten erinnert, die sie einmal im Wiener Museum Moderner Kunst besucht hatte und deren Exponate und Filme sie als so bedrohlich empfunden hatte, dass sie sie wegen Lisa, die damals dabei war, gleich wieder verlassen hatte. Auch der Anblick des Pools hier glich einem jener Schlachtfesthappenings, die die Aktionisten regelmäÃig anrichteten. Der Eindruck einer Inszenierung wurde dadurch verstärkt, dass um den Pool herum alles übertrieben aufgeräumt wirkte: Auf den vier japanisch anmutenden Ruheliegen aus Tropenholz lag, fein säuberlich zusammengelegt, je ein frisch gewaschenes Handtuch. Auf jedem Handtuch befanden sich originalverpackte Frotteeschläppchen, wie Anne sie aus Hotels kannte. Die Wände zierten einige groÃformatige Schwarz-WeiÃ-Motive des Fotografen Arthur Elgort. Auf jedem war eine prominente Schönheit zu sehen â unter ihnen auch die blutjunge Cindy Crawford, mit geschlossenen Augen in ein Mikrofon singend; und Laetitia Casta, am Boden liegend, nur bekleidet mit einer Federboa und einem Diamantbracelet um das FuÃgelenk. Die anderen spärlich bekleideten Frauen erkannte Anne nicht. Im linken Eck ortete die Polizistin einen Whirlpool, der mindestens acht Menschen Platz bot, und nach rechts, so vermutete sie, ging es zu den Duschen und vielleicht auch zu Saunen, Dampfbädern und Ruheräumen. Das Ganze war groÃzügig angelegt, wie für ein Hotel, und ergab ein in sich stimmiges Bild. Nur wenn Anne an den Anblick des Anwesens von auÃen dachte, fand sie es etwas komisch. Passte ein derart nobler Wellnesstempel in einen urbayerischen Bauernhof?
Am Rand des Schwimmbeckens kniete Nonnenmacher und starrte wie gelähmt auf den klein gewachsenen toten Mann in der Flüssigkeit. Der Dienststellenleiter schien weder bemerkt zu haben, dass Anne durch die aufgeschobene Panoramascheibe in die Schwimmhalle getreten war, noch, dass hier ziemlich laut klassische Musik lief. Anne kannte sich mit Musik nicht gut aus. War das Gustav Mahler? Bruckner? Seit wann lief die Musik? Warum schaltete sie niemand ab?
»Hallo, Herr Nonnenmacher«, sagte sie vorsichtig und erschrak darüber, was die Worte in ihrem Chef auslösten: Nonnenmacher musste völlig in Gedanken versunken gewesen sein, denn beinahe wäre er zu der Leiche in den weiÃen Sud gefallen, allerdings lebendig.
»Ach Sie«, grummelte er, nachdem er sich gerade noch abgefangen hatte. »Eine schöne ScheiÃe.« Anne zuckte mit den Schultern.
»Da haben wir hier jahrelang keinen einzigen Toten, und dann kommen Sie zu uns nach Wiessee, und wir haben innerhalb von zwei Wochen zwei Leichen. Wenn das so weitergeht, brauchen wir hier noch einen neuen Friedhof.« Anne schwieg.
»Was machen wir denn jetzt?« Nonnenmacher wirkte hilflos wie ein Kind.
»Wer ist das denn überhaupt?«, fragte Anne.
»Der Kürschner«, erwiderte Nonnenmacher genervt und erklärte, was es mit dem Milliardär auf sich hatte.
»Und wer hat ihn
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