Tegernseer Seilschaften
gefunden?«
»Seine Haushälterin.« Kastner verhöre sie gerade.
»Wo?«
Mit einer Kopfbewegung deutete Nonnenmacher in Richtung der Tür, hinter der Anne die Sauna und andere Wellnesseinrichtungen vermutete. Ohne etwas zu sagen, ging sie hinüber, durchschritt einen mit schwarzem Marmor gefliesten Durchgang, von dem aus ein Gang abzweigte zu zwei ebenso schwarzen Duschräumen, und gelangte in ein Areal, in dem, wie vermutet, eine solide aussehende Holzsauna, ein Kaltwasserbecken und eine Dampfbadkabine standen. Alles war sauber und geschmackvoll eingerichtet. Auch hier mussten Lautsprecher angebracht sein, denn Anne hörte noch immer Mahler oder Bruckner. Sie ging weiter, ohne etwas Auffälliges zu bemerken, und gelangte in eine Art Umkleidezimmer. Hier war der Boden mit einem flauschigen hellblauen Teppich bedeckt, an einer Wand stand ein Tischchen im britischen Kolonialstil, auf dem ein feines asiatisches Teeservice angerichtet war. An diesem Tisch saà der uniformierte Sepp Kastner mit einer adrett gekleideten Frau um die sechzig. Ihre Haare waren blondiert und dauergewellt. Es handelte sich um Elisabeth Gsell, die Haushälterin Kürschners, die das Anwesen leitete, seit Kürschner es vor Jahrzehnten gekauft hatte. Die Frau hatte keine Tränen in den Augen, sie wirkte gefasst. Kastners Vernehmungsstil kam Anne angesichts der Zierlichkeit der alten Dame ziemlich ruppig vor. »Aber Frau Gsell, das glaubâ ich Ihnen nicht, dass Sie nicht gewusst haben, dass der Herr Kürschner hier ist.«
»Doch, das hat der Herr Kürschner oft so gemacht. Es war oft so, dass er spontan kam, ein paar Stunden blieb und dann wieder wegflog. Oft hat er gar nicht hier übernachtet.«
»Aber dann hättâ er Sie doch angerufen, vorher!«
»Nein, denn Herr Kürschner war gern allein und kam deswegen auch gern allein und ohne Vorankündigung. Er ist ja immerzu mit Menschen zusammen, wenn er seine Geschäfte macht. Deswegen hat er sich ja den Grundnerhof gekauft: dass er auch einmal seine Ruhe haben kann.«
»Aber Sie haben ihm doch sicher etwas zum Essen gemacht, wenn er da war.«
»Nur, wenn er das wünschte«, antwortete Elisabeth Gsell, die hochdeutsch mit einer, wie Anne fand, ganz sympathischen bayerischen Einfärbung sprach. »Es war ohnehin so, dass ich immer dafür gesorgt habe, dass etwas frisch Gekochtes im Kühlschrank war. Das konnte Herr Kürschner sich dann allein in der Mikrowelle heià machen. Dafür brauchte er mich nicht. Und jeden Tag habe ich geschaut, ob er vielleicht da ist. Wenn ja, bin ich geblieben und habe ihn versorgt. Und wenn er nicht gekommen ist, dann habe ich das vorgekochte Essen mitgenommen und selbst gegessen.«
»Haben Sie auch manchmal hier übernachtet?«, wollte Kastner wissen.
»Gott bewahre!«, meinte Elisabeth Gsell entsetzt. »Herr Kürschner ist verheiratet, ich bin ledig, wo denken Sie hin!«
Anne musste schmunzeln.
»Und jetzt«, fragte Kastner, »sindâs jetzt gar nicht traurig, dass er tot ist?«
»Doch, natürlich, das ist ja das Schlimmste, was mir, ihm, passieren konnte.«
»Aber Sie wirken überhaupt nicht betroffen.«
»Na, mein lieber junger Herr Kommissar, ich hätte diesen Posten hier nicht fast vierzig Jahre bekleidet, wenn es mir nicht ein Selbstverständliches wäre, auch in schwieriger Situation die Fasson zu wahren.« Elisabeth Gsell sah Kastner selbstbewusst an.
»Darf ich mich mal kurz vorstellen?«, unterbrach Anne höflich und reichte Elisabeth Gsell die Hand. »Anne Loop, Polizeihauptmeisterin.«
»Oh, es ist mir eine Ehre. Wissen Sie, wie Sie aussehen?« Natürlich wartete sie nicht, bis Anne antworten konnte. »Also, das wird Sie sicherlich überraschen, aber Sie könnten die Schwester von Angelina Jolie sein, ohne Weiteres! Und ich muss es wissen, denn ich verfolge das Eheleben dieser beiden vorbildlichen Menschen Angelina und Brad mit groÃem Interesse. Sind Sie auch verheiratet und haben Kinder?«
Ohne darauf einzugehen, stellte Anne eine Gegenfrage: »Frau Gsell, kann man die Musik eigentlich ausschalten?«
Kurz sah es so aus, als wäre ein Blitz durch den zierlichen Körper der Haushälterin gefahren, dann sagte sie: »Ja natürlich, mein Gott, sehen Sie, das fällt mir schon gar nicht mehr auf! Der Herr Kürschner hat ja immer Musik angehabt, also wirklich
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