Tegernseer Seilschaften
Kastner, wie Anne sagte: »Ich hätte eine Frage an Sie: Wenn wir Ihnen eine Milchprobe zukommen lassen würden, wäre es Ihnen möglich, die DNA der Kuh herauszufiltern, von der diese Milch stammt?« Anne schwieg, die Person am anderen Ende der Leitung schien etwas zu erklären. »Ach so. Das ist schade. Wissen Sie, wer so etwas macht?«
Als Anne aufgelegt hatte, sah Kastner sie fragend an. »Und? Können die so was machen?«
Anne schüttelte den Kopf und erklärte, dass die Rechtsmedizin nicht zuständig sei, weil sie keine Tierproben analysiere, sondern nur menschliche DNA . Die Frau habe aber gesagt, dass es theoretisch schon möglich sei, von der Zellzusammensetzung einer Kuhmilchprobe auf eine bestimmte Kuh zu schlieÃen.
»Du siehst nicht nur super aus, du bist auch ganz schön intelligent.« Kastner nickte anerkennend, und Anne, der seine permanenten Annäherungsversuche eigentlich lästig waren, konnte dieses Mal nicht anders: sie fühlte sich ein bisschen bestätigt, vielleicht auch, weil dieses Kompliment, das Sepp Kastner ihr da gemacht hatte, ehrlich geklungen hatte, ohne eine Andeutung irgendwelcher blöden Hintergedanken, die mit Badengehen oder Heiraten zusammenhingen.
Teil 4
Und auf einmal fühlte sich alles an wie Urlaub, dabei war es nur ein freier Nachmittag, den Nonnenmacher seinem Team als Ausgleich für die samstägliche Nachtschicht verordnet hatte. Es war T -Shirt-warm, der Wind zerzauste Annes glänzendes Haar, die Sonne schien ihr auf die vom Winter noch etwas blasse Haut, neben ihr auf dem Sonnendeck saà Lisa und gegenüber Bernhard. Das erste Mal, seit sie ins Tegernseer Tal gezogen waren, hatten sie sich alle drei gemeinsam Karten für eine Rundfahrt mit einem der Tegernseeschiffe gelöst. Am Steg vor dem Tegernseer Rathaus waren sie zugestiegen, und nun lieÃen sie sich einmal um den ganzen See schippern. Das Wasser schimmerte in den verschiedensten Schattierungen zwischen Grün und Blau, und Lisa hängte ihren Kopf begeistert über die Reling, um nach Fischen Ausschau zu halten.
Einmal mehr fiel Anne auf, wie groà ihre Tochter geworden war. Es war verrückt, wie schnell die Zeit verging, seit sie Lisa bekommen hatte. Und wie immer, wenn Anne in einem ruhigen Moment Lisa beobachtete, wurde ihr wieder bewusst, dass es nur noch ein schnell verstreichendes Jahrzehnt dauern würde, bis Lisa genauso alt war wie sie damals, als man sie an ihrer verwundbarsten Stelle verletzt hatte. Um sich abzulenken, versuchte Anne, an etwas anderes zu denken, und landete unwillkürlich bei dem Bild vom toten Milliardär im Swimmingpool, das sich wie ein Gemälde des Schreckens in ihrem Gehirn festgesetzt hatte. Ihr fiel auf, dass sie Bernhard noch gar nichts von ihrer Idee erzählt hatte â durch eine Analyse der DNA der Milch aus dem Pool auf deren Herkunftsbauernhof zu schlieÃen â, und berichtete ihm davon.
»Bernhard, was meinst du, kann das nicht ein Weg sein, mit dem wir zum Ziel kommen könnten?«
Bernhard, heute frei von hypochondrischen Beschwerden, stieg gleich begeistert auf diese Methode der Spurenverfolgung ein, und beide sponnen mit kindlicher Begeisterung an Annes Plan herum. Lisa fand das â natürlich â doof. Und als Rottach-Egern hinter ihnen lag und sie Wiessee ansteuerten, hatte das Mädchen endgültig die Nase voll. »Immer müsst ihr über das Arbeiten reden! Ich mag, dass wir mal einen Tag lang nur wir sind, einfach so! Wir drei und sonst nichts und niemand.«
Anne und Bernhard lachten, Anne umarmte Lisa, die sich aber sofort wieder aus ihren Armen wand; und Anne und Bernhard beschlossen, sich später, wenn Lisa bereits im Bett liegen würde, noch einmal Gedanken über die Milchspur zu machen.
Als die drei nach ihrem Ausflug nach Hause kamen, stand ihr Nachbar Herr Schimmler in ihrem Garten und hantierte mit einer Gartenschere und einer Sprühflasche an den Büschen herum.
»Ach, da sind Sie ja«, grüÃte Schimmler, Annes und Bernhards verdutzte Blicke ignorierend. »Habâ mir schon gedacht, wo Sie denn sind an einem ganz normalen Wochentag, nicht wahr.«
Anne und Bernhard grüÃten ihn kühl. Schimmler lieà sich bei der Arbeit nicht stören. »Das sind schon Sakramenter, diese Läuse, da schauenâs mal, alles verlaust. Immer da, wo Blüten kommen. Da muss man was tun, das kann man nicht mit
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