Teller, Janne
was
Bedeutung hatte, selbst wenn man dieses Etwas loswerden musste.
Ich weiß
nicht genau, was an jenem Abend geschah, als der große Hans Sofie half, die
Unschuld zu verlieren. Zu sehen war am nächsten Tag nur ein bisschen Blut und
etwas Schleim auf einem karierten Taschentuch, das ganz oben auf dem Berg aus
Bedeutung lag, und Sofie ging komisch, als täte es weh, wenn sie die Beine
bewegte. Trotz allem war es Sofie, die stolz und unnahbar erschien, während der
große Hans herumrannte, als versuchte er, ihr alles recht zu machen. »Er will
es wohl gern noch mal machen«, flüsterte mir Gerda ins Ohr und kicherte und
hatte völlig vergessen, dass sie wegen der Sache mit Klein Oskar eigentlich
nicht mehr mit mir redete.
Ich
antwortete nicht, versuchte aber später, aus Sofie herauszubekommen, was
passiert war und wie es gewesen war. Sie wollte mir nichts erzählen. Lief nur
herum und sah aus, als hätte sie ein Geheimnis entdeckt, das zwar sicher ganz
schrecklich war, das ihr aber trotz allem den Schlüssel zu etwas von großer
Bedeutung geliefert hatte.
Große
Bedeutung? Größere Bedeutung? Größte Bedeutung?
Jetzt
blieben nur noch drei übrig, bevor wir Pierre Anthon den Berg aus Bedeutung zeigen konnten, wenn er verspräche, nie mehr oben im
Pflaumenbaum zu sitzen und hinter uns herzurufen: der fromme Kai, die hübsche
Rosa und Jan-Johan. Sofie wählte den frommen Kai. Er sollte Jesus am Kreuz abliefern.
14
Jesus am
Kreuz war nicht nur der allmächtige Gott des frommen Kai, er war auch das
Heiligste in der Kirche von Taering , und die Kirche
von Taering war sowieso das Heiligste, was es in der
Stadt Taering gab. Insofern war Jesus am Kreuz das
Allerheiligste, was sich jeder von uns vorstellen konnte - jedenfalls wenn wir
an so etwas glaubten. Vielleicht war er das auch, ganz egal was wir glaubten.
Jesus am
Kreuz war eine Skulptur an der Wand direkt hinter dem Altar. Sie ängstigte die kleinen
Kinder, und die Alten rührte sie - der hängende Kopf mit der Dornenkrone und
die Blutstropfen, die zu edlen Strömen entlang dem heiligen Antlitz wurden,
das in Schmerz und Göttlichkeit verzerrt war, und die Nägel durch Hände und
Füße am Kreuz, das aus Rosenholz war und nach den Worten des Pfarrers ganz
besonders fein gearbeitet. Sogar ich, die darauf beharrte, dass Jesus und der
Herrgott nicht existierten und deshalb keine Bedeutung hatten, wusste, dass
Jesus am Rosenholzkreuz von großer Bedeutung war. Besonders für den frommen
Kai. Er würde Hilfe benötigen.
Die Hilfe ist dein. Die Hilfe ist unser. Die Hilfe sind wir. Noch
einmal nahm ich die Karten mit hinaus zum Sägewerk, dieses Mal das Spiel mit
den Clowns auf der Rückseite. Und noch einmal losten wir.
Dieses Mal
zogen Marie-Ursula, Jan-Johan, Richard und Maike die höchsten Karten und
sollten dem frommen Kai helfen, auch wenn der fromme Kai daran festhielt, dass
man das nicht machen könne und auch nicht machen dürfe. Er taute jedoch etwas
auf, als Jan-Johan sagte, er, der fromme Kai, kenne doch den Code des
Hängeschlosses, er könne also, wann immer er wolle, kommen und zu seinem Jesus
am Kreuz im Sägewerk beten. Und außerdem würden wir selbstverständlich Jesus an
die Kirche zurückliefern, sobald wir mit ihm fertig waren. Ich war nicht selbst
dabei, aber nach dem, was mir Marie-Ursula ohne die sechs blauen Zöpfe am
Montagmorgen in der Musikstunde mit gedämpfter Stimme erzählte, während die
anderen Beethoven hörten, dass Marie-Ursula fast übertönt wurde, war es nicht
so gut gegangen wie geplant.
Zwar hatte
sich der fromme Kai wie abgesprochen nach dem späten Sonntagsgottesdienst in
der Kirche versteckt. Und als es in der Kirche still wurde und alle gegangen
waren und sie abgeschlossen wurde, waren Marie-Ursula, Jan-Johan, Richard und
Maike gekommen und hatten dreimal kurz und dreimal lang angeklopft, und der
fromme Kai hatte sie eingelassen. Aber dann ging es schon los, und die Dinge
waren nicht wie geplant gelaufen.
Als Erstes
hatte der fromme Kai angefangen zu weinen. Das war, als die anderen über die
Umrandung geklettert und hinter den Altar gegangen waren. Da schluchzte und bat
er sie so sehr, dass sie ihn auf der anderen Seite zurücklassen mussten. Und
Maike musste bei ihm bleiben, damit er nicht weglaufen konnte. Aber wie oft
sie ihm auch erzählte, dass sie Jesus oder den Herrgott noch nie durch ihr
Teleskop gesehen hatte, obwohl sie es lange versucht hatte, und dass es allen
großen Astrophysikern
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