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Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Titel: Tempel der Träume - Der Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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Gosling und Shia LeBeouf. Sie jedoch war ins Kino gelaufen um „Die Tage des Condors“ und „Jenseits von Afrika“ zu sehen und hatte sich in die Rollen von Faye Dunaway und Meryl Streep hineingeträumt, an die Seite ihres Helden. – Und nun suchte so ein Traum-Typ, der wahrhaftig wie Robert Redford aussah, im Internet weibliche Gesellschaft!
    Sie hatte ihn sofort angeschrieben, sich dabei aufs Vorteilhafteste geschildert und ein Bild aus glücklicheren Tagen hinzugefügt. Wenn sie heimkam würde sie als allererstes nachschauen, ob er geantwortet hatte und ihr vielleicht sogar ein Date vorschlug.
    Myrtel schob sich den Rest der Apfel-Baiser-Torte in den Mund und trank ein Schlückchen Mocca hinterher. Wenn sie ehrlich war, hatte sie bei ihrem heutigen Kaufrausch bereits im Hinterkopf, attraktiv für „Mister Lonely Heart“ auszusehen. Ein guter Grund unterwegs zu sein und keine Kosten zu scheuen.
    Und wenn er sie gar nicht wollte? Hatte sie sich dann heute umsonst in Unkosten gestürzt? Energisch schüttelte sie den Kopf. Selbst wenn er sich als Enttäuschung herausstellte oder gar nicht erst meldete – was sie hier tat, tat sie ausschließlich für sich und ihr Wohlbefinden. „Ich lebe jetzt!“, flüsterte sie.
    Um das ja nicht zu vergessen, hatte sie diesen Wahlspruch mit Lippenstift an den Spiegel in ihrem Bad geschrieben – und an andere Stellen in der Wohnung, an denen sie täglich vorbeikam.
    Myrtel erhob sich und raffte ihre Tüten mit den Einkäufen zusammen. Etwas gab es noch zu tun. Einen Herzenswunsch, den sie seit ihrer Jugend mit sich herumtrug. Auch den würde sie sich jetzt erfüllen, koste es, was es wolle!
    Zielstrebig steuerte sie auf ein Reisebüro zu, das mit riesengroßen bunten Bildern im Schaufenster für die schönsten Ziele auf der Erde warb. Palmen, blaues Meer und weiße Strände gleich neben Pyramiden und Kamelen in der Wüste. Myrtel hielt sich nicht lange mit dem Betrachten der Poster und den knalligen Sonderangeboten auf. Sie wusste genau, wohin die Reise gehen sollte: zum im südlichen Pazifik gelegenen Inselstaat Neuseeland.
    Als Schülerin war ihr ein Abenteuerroman, in den wilden Bergen Neuseelands spielend, in die Hände gefallen, der sie gefesselt und nie mehr ganz losgelassen hatte. Und nach der Schule hatte sie mit ihrer besten Freundin einmal Urlaub dort gemacht. Das war die schönste Zeit ihres Lebens gewesen, die Eltern noch gesund, sie voller Vorfreude auf das Leben. Noch einmal dorthin zu reisen, Land und Leute wiederzusehen, die Leichtigkeit des Seins, die sie damals gespürt hatte, ein weiteres Mal zu erleben – diese Sehnsucht hatte sie sich nie ganz aus dem Herzen reißen können. Doch bislang war es ein Traum geblieben. Dieter wollte nicht so weit fliegen, und später hatte ihnen das Geld gefehlt, um sich solchen Luxus zu gönnen. Als sie vor dem Plakat stand, spürte sie, wie der Traum mit aller Macht zurückkehrte. Noch war es nicht zu spät, ihn sich zu erfüllen. Noch hatte sie ein wenig Zeit.
    Alle Bedenken beiseite wischend, betrat Myrtel entschlossen das Reisebüro.
    „Eine dreiwöchige Tour durch Neuseeland. Selbstverständlich 1. Klasse und mit allem Komfort“, verlangte sie von dem verblüfften Berater, bevor der nach ihren Vorstellungen fragen oder Prospekte herbeischleppen konnte. Sie würde auch nicht lange feilschen oder sich zieren, wenn es ans Bezahlen ging. Das Leben war zu kurz, um damit Zeit zu verschwenden. Sollte sich Dieter später mit ihren Schulden herumärgern. Sie würde jetzt einfach nur noch genießen.
    Als Myrtel das Reisebüro verließ, hätte sie zugleich lachen und weinen mögen. Sie starrte auf das Ticket und die dazugehörigen Unterlagen. Im Herbst würde es losgehen! Eine kleine Weltreise an den Ort ihrer Wünsche. Was machte es schon, dass die Anzahlung einen Großteil ihrer Ersparnisse verschlungen hatte? Geld?! Was lag ihr noch daran? Es hatte keinen Sinn zu sparen.  Wofür? Für einen schöneren Sarg? Ein Grabtuch aus Damast? Sie lächelte bei diesem Gedanken. Viel wichtiger war, dass sie bis zum Herbst durchhielt und ihr die Krankheit nicht in letzter Minute einen Strich durch die Rechnung machte.
    Auf dem Weg zum Auto warf Myrtel einen Blick zum strahlend blauen Himmel über ihr. Was für ein herrlicher Frühlingstag! Weg mit den trüben Gedanken! Die Vorfreude auf die Reise würde zu ihrem Wohlbefinden beitragen – und die Aussicht auf ein Date mit dem Robert-Redford-Double aus dem Dating-Portal ein Übriges

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