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Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Titel: Tempel der Träume - Der Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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tun.
    Sie verstaute den Einkauf auf den Rücksitz und beschloss, noch nicht heimzufahren, sondern einen ausgiebigen Spaziergang zu unternehmen.

III
     
     
    Der Springbrunnen vor dem Europacenter plätscherte friedlich und war durch das Geplapper der drei Jonasfrauen kaum zu hören.
    „Ich finde dein neues Kleid schön!“, rief Lea und deutete mit der Hand auf eine Tüte, die ihre Großmutter trug.
    „Findest du wirklich?“, fragte die Frau. „Bin ich nicht schon zu alt für solche sexy Kleidungsstücke?“
    „Niemals!“, protestierten Kiara und Lea wie aus einem Mund.
    „Lass dir so etwas nur nicht einreden!“, fügte Lea altklug hinzu. „Wer so etwas behauptet, wenn du es trägst, hat überhaupt keine Ahnung.“
    „Oder ist neidisch!“, ergänzte Kiara.
    Die Ältere nickte, durch die Worte etwas beruhigt. „Wenn dieses Violett nicht so auffällig wäre!“, gab sie jedoch erneut zu bedenken.
    „Dann wäre es langweilig. So sieht es einfach klasse aus.“
    Damit gab sich die Frau endgültig zufrieden. „Wenn ihr beiden Modeexpertinnen das sagt, wird es wohl stimmen.“
    „Ja, das stimmt“, sagten die beiden Jüngeren wieder wie aus einem Mund.
    „Aber du hast auch einen feschen Pullover gefunden“, sagte Franziska Jonas und deutete auf den Beutel ihrer Enkelin Lea.
    „Das ist kein Pullover, Oma!“, kreischte das Kind. „Das ist ein Top.“
    „Entschuldigung, natürlich. Es ist ein Top.“
    „Und Mama hat Bootcuts.“
    „Früher hieß das Jeans.“
    „Das ist lange her“, erwiderte die Kleine naseweis. „Wir leben im Jahr 2014.“
    „Ich weiß“, seufzte die ältere Frau. „Ich werde in diesem Jahr fünfzig. Das ist entsetzlich.“
    „Uralt“, grinste die Kleine.
    Die Frau runzelte in gespielter Empörung die Stirn. „Warte ab, bis du in meinem Alter bist. Dann wird dir das Grinsen vergehen.“ Doch dann lächelte sie sofort wieder. „Wenn mich schon das Alter einholt, kann ich noch etwas sündigen. Ich gehe uns jetzt ein Eis holen.“
    „Oh ja!“, jubelte Lea, während Franziska Jonas aufstand. „Wer will was?“
    Die beiden Zurückbleibenden gaben ihre Bestellung auf, danach steuerte die Ältere das Restaurant an, das im Europacenter beheimatet war und die Kundschaft mit seinem berühmten Eis anlockte.
     
    Myrtel Ragewitz genoss die warmen Sonnenstrahlen. Sie heizten den Asphalt der Berliner Straßen auf und wurden von den Wänden der Häuser abgestrahlt. So ein bisschen Sonne zauberte gleich eine ganz andere Stimmung in die Stadt. Die Leute, die ihr begegneten, eilten nicht wie sonst desinteressiert und mit gesenktem Kopf vorüber, sondern lächelten sie freundlich an. Die Luft roch sauberer, die Geräusche der Straße wirkten fröhlicher, sogar das belegte Brötchen, das sie sich noch als kleinen Snack gegönnt hatte, schmeckte frischer.
    Für einen Moment huschte erneut die Erkenntnis durch ihren Kopf, dass dies vermutlich der letzte Frühling in ihrem Leben war, aber sie verscheuchte das aufkommende Grausen bei dem Gedanken sofort. Das hatte bei solch einem strahlenden Sonnentag keine Existenzberechtigung.
    Sie spazierte die Tauentzienstraße hinunter auf den Ku’damm zu, wo sie weiterhin das Bad in der Menge genießen wollte. Als sie den Platz am Europacenter passierte, stockte ihr Schritt, denn sie sah ein bekanntes Gesicht. Auf dem Rand des Springbrunnens saß Kiara Jonas, ihre neue Mitarbeiterin. Was für ein Zufall! Mit einem Lächeln trat sie auf sie zu.
    Als Kiara ihrer Chefin gewahr wurde, war es bereits zu spät für einen Rückzug. Aus irgendeinem Grund war es ihr peinlich, dass Myrtel sie hier mit ihrer Tochter traf.
    „Berlin ist so klein“, sagte Myrtel nach der Begrüßung. „Genießt du das schöne Wetter?“
    Kiara nickte angespannt. „Ja, wir waren shoppen. Das musste mal sein.“
    Der Blick der älteren Frau fiel auf Lea, die mit großen, neugierigen Augen neben Kiara saß. In Myrtels Augen war Kiara zu jung, um schon Mutter einer offensichtlich Zehnjährigen zu sein. „Ist das deine Schwester?“, fragte sie deshalb.
    Kiara überlegte nur für den Bruchteil einer Sekunde, was sie antworten sollte. Es würde alles wesentlich einfacher sein, wenn sie zustimmte. Dann gäbe es keine langen Erklärungen, kein überraschtes Gesicht und keine fragenden Blicke. Bevor Lea reagieren konnte, platzte sie daher mit einem überzeugenden „Ja“ heraus.
    Lea stutzte. „Äh ...“, stammelte die Kleine und wollte protestieren, doch Kiara kam ihr zuvor und

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