Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
Clubs spielte eine Band auf der Bühne, an der Bar saßen ein paar Männer, an den Tischen vereinzelte Pärchen.
„Auf ins Gefecht“, sagte Amy, nachdem sie sich umgesehen hatte. „Wieder einmal auf der Suche nach Kontakten, die sich lohnen. Wie fast jeden Abend.“
„Hat Gregory dir wenigstens etwas von dem weißen Zauberzeugs dagelassen? Damit wir den Abend besser überstehen.“
„Ich habe noch etwas“, erwiderte Amy. „Wollen wir?“
Wenn Samira am ersten Abend noch gezögert hatte, ob sie Gregorys Angebot auf eine Prise Kokain annehmen sollte, so musste sie nun nicht mehr überlegen. Sie hatte vor Tagen zugestimmt und zum ersten Mal die Droge probiert. Danach hatte sie sich wunderbar wach und glücklich gefühlt, locker und entspannt mit Fremden geplaudert und nicht mal Hunger verspürt. Dass die Droge hochgradig gefährlich, ja sogar lebensbedrohlich werden konnte, daran hatte sie nur einen kurzen Moment gedacht, sich jedoch dann dem süßen Rausch hingegeben.
Leider hielt das Glücksgefühl nur kurz an, und sie hatte es nicht gewagt, ihn um Nachschub zu bitten. Aber auf der nächsten Party hatte sie ihn gefragt und er hatte ihr sofort etwas gegeben. Und beim nächsten und übernächsten Mal ebenfalls.
Gemeinsam verschwanden die beiden Mädchen auf der Toilette.
III
Myrtel fühlte sich, als hätte sie sich zu ihrer tödlichen Krankheit auch noch eine bipolare Störung eingefangen. Ihre Stimmungen wechselten permanent.
Am Morgen wachte sie lange vor dem Wecker auf, um danach mit beschleunigtem Puls und einem Kribbeln im Bauch darauf zu warten, dass sie aufstehen konnte. In diesen Stunden der Morgendämmerung dachte sie an die Nacht zurück, in der sie mit Paul heiße Stunden verbracht hatte. Sie war nicht verliebt in ihn, dafür gefiel er ihr dann doch zu wenig. Und dafür war er zu souverän und geübt an die Sache herangegangen. Sie war nur ein flüchtiges Abenteuer für ihn gewesen, das war ihr klar. Doch sie war beglückt über die Tatsache, dass sie es geschafft hatte, trotz ihres Alters einen attraktiven Mann zu erregen. Und erregt war er mit Sicherheit gewesen, sehr sogar. Kaum zu glauben, dass sie die Nähe des Mannes genossen und seine gierigen Küsse erwidert hatte! Noch vor Wochen hätte sie nicht einmal davon zu träumen gewagt! Sie dachte an Dieter, dessen dicker Bauch auf sie platschte, wenn es ihn alle paar Monate überkam und er Sex mit ihr wollte. Meistens nach dem Blick auf einige dubiose Internetseiten oder in Magazine, die er heimlich bei Karlo durchblätterte. Schon seit Jahren hatte sie keinen Spaß mehr daran gehabt, sich mit ihrem Mann in den Laken zu wälzen. Und nun hatte sie es gewagt, mit einem Fremden ins Bett zu gehen. Das war völlig neu für sie. Und großartig!
Das jedenfalls dachte sie jeden Morgen. Im Laufe des Tages jedoch schwand dieses Hochgefühl, um einem entsetzten Kopfschütteln Platz zu machen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Der Mann war ein völlig Unbekannter! Sie hatte sich benommen wie eine billige Hure.
Glücklicherweise dauerten diese Phasen der Scham nur kurz, bis sie wieder von einem Hochgefühl abgelöst wurden. Am Abend dann schwankte sie zwischen beiden hin und her. Auf der einen Seite überlegte sie, ob sie weiter nach charmanten Partnern für heiße Nächte suchen sollte, die ihr zu bisher nie erlebten Ekstasen verhelfen konnten. Auf der anderen Seite schalt sie sich dafür und scheute vor den vorhersehbaren peinlichen Momenten zurück, in denen sie ihre Narben verstecken musste.
Zwischen allen Phasen überprüfte sie jedoch in regelmäßigen Abständen, die etwa drei bis vier Minuten betrugen, ob Paul ihr vielleicht eine Nachricht hinterlassen hatte. Ob er ihr schrieb, dass er sie unbedingt wiedersehen wollte. Der schien jedoch beruflich schwer beschäftigt zu sein, oder er hatte bereits eine neue Gespielin gefunden. Oder er wartete auf das nächste Wochenende, bis er sich meldete. Oder seine Oma war verstorben und er musste nach Sonstwo reisen. Oder sein Handy war kaputt. Oder er hatte Myrtels Kontaktdaten verloren. Oder oder oder. Was auch immer der Grund sein mochte – sie hörte und las nichts von ihm.
Dass er sich nicht meldete, traf sie nicht mitten ins Herz, nicht einmal in dessen Nähe, sondern irgendwo in ihre Eitelkeit, was wiederum einen neuen Stimmungsumschwung verursachte. Denn dann sah sie sich kritisch im Spiegel an und dachte, dass sie vermutlich nie wieder einen Mann finden würde, der mit ihr Spaß
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