Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
dem Bus und in der U-Bahn zu fahren, ist wirklich nicht so schwierig.“
„Du machst mich verrückt“, murmelte Kiara. „Du kannst doch nicht einfach ...“
„Ich wollte endlich mal sehen, wo du arbeitest. Und ich wollte, dass du heute pünktlich nach Hause kommst, damit wir zusammen essen können. Schwester.“
Sie betonte das „Schwester“ erneut stark, doch Myrtel fiel es nicht auf.
„Ich denke, dann verschieben wir unseren Drink lieber“, schlug die ältere Frau vor. „Familie geht vor.“
„Tut mir leid“, entschuldigte sich Kiara.
„Nein!“, protestierte Lea. „Du kannst gerne mitgehen, ich würde auch gern etwas trinken, aber ich nehme auch etwas ohne Alkohol. Ich nehme an, ihr wolltet Alkohol trinken?“
Kiara schüttelte den Kopf. „Nichts gibt’s, junge Dame. Wir fahren jetzt nach Hause. Dir werde ich die Leviten lesen, einfach hierher zu kommen!“
„Nein, Schwester! Das darfst du nicht! Das darf nur meine Mutter! Und du bist doch nicht meine Mutter.“
„Aber fast. Los, Abmarsch!“ Kiara schob die Zehnjährige Richtung Tür.
Lea hatte jedoch nicht die Absicht, sich die gute Gelegenheit auf einen Streich so schnell nehmen zu lassen. „Wie wäre es mit einem Eis zu dritt? Meine Schwester gibt bestimmt gerne eines aus. Bitte, helfen Sie mir!“, rief sie flehend Myrtel zu.
Die zuckte lächelnd mit den Schultern. „Wenn deine große Schwester etwas sagt, musst du hören.“
„Und wenn sie gar nicht meine große Schwester ist? Vielleicht ist sie meine Entführerin! Hilfe, ich wurde entführt!“
„Du spinnst.“ Kiara schüttelte den Kopf. „Es bekommt ihr nicht, das Nesthäkchen zu sein“, erklärte sie Myrtel. „Sie wird zu sehr verwöhnt. Aber das hat jetzt ein Ende, junge Dame. Es ist vorbei mit einigen Privilegien, dazu gibt es Stubenarrest und Fernsehverbot, weil du einfach alleine hergekommen bist.“
„Nein!“, rief Lea. „Das kannst du nicht machen! Mama!“ Sie sah ihre Mutter mit herausfordernd hochgezogenen Augenbrauen an.
„Mama?“, fragte Myrtel mit einem Lächeln. „Sagt sie das, um dich zu ärgern? Du bist noch zu jung, um Mutter zu sein.“
„Das sehe ich auch so“, bestätigte Kiara schnell. „Viel zu jung. Ich schleife die Kleine jetzt an ihren Haaren nach Hause. Wir sehen uns morgen, Myrtel. Entschuldige bitte noch einmal.“
„Kein Problem. Ich habe noch eine Flasche Wein zu Hause. Außerdem das Internet, in dem ich nach weiteren Opfern für meine Abenteuer Ausschau halten kann.“
Kiara lächelte verständnisvoll. „Viel Spaß.“
Dann zerrte sie Lea zwar nicht an den Haaren, aber an der Kapuze ihrer Jacke eilig zur Tür hinaus, bevor die noch etwas Unüberlegtes sagen konnte.
IV
Holger erlebte einen stürmischen Abend. Er stand am Fenster und beobachtete den leuchtendroten Sonnenuntergang, während er in seinem Kopf die Taktik für sein weiteres Vorgehen in der Operation „Kiara“ festlegte.
Dass er es als Operation bezeichnen sollte, hatte er in einem Onlineseminar für angehende Verführer gelernt. Wenn Mann eine Verführung so nüchtern wie möglich behandelte, würde der emotionale Druck genommen. Die Frau würde lediglich als eine Zielperson betrachtet, die austauschbar sei, so dass somit die Aufregung und Nervosität verschwinden würden und er besser zum Zuge käme.
Er hatte zwar ein schlechtes Gewissen, dass er die Notlage der jungen Frau für seine Zwecke ausnutzen musste, aber es ging nicht anders. Wenn er es jetzt nicht wagte, wurde es nie etwas. Zudem hatte er das Gefühl, dass seine Liebe für Kiara immer stärker wurde, je mehr er sich mit ihr befasste. Diesen Zustand hielt er nicht mehr lange aus, daher musste er endlich etwas dagegen tun.
Auf einem Zettel hatte Holger mehrere Punkte notiert, die er in dem Seminar gelernt hatte und die er von nun an gnadenlos umsetzen wollte. „Ich gebe ihr die Informationen erst, wenn sie zu einem Date am Wochenende einwilligt“, stand auf dem Papier.
„Wenn ich sie anrufe, bleibe ich cool und denke an Fußball.“
„Ich lasse im Gespräch den Namen einer anderen Frau fallen, damit sie merkt, dass sie nicht die Einzige in meinem Leben ist.“
„Ich stelle keine Fragen, sondern gebe nur Anweisungen. Denn ich bin derjenige, der das Gespräch kontrolliert.“
„Ich rede mit männlicher, tiefer Stimme und lasse hin und wieder das Wort Sex fallen, um ihr Unterbewusstsein anzusprechen.“
Er wischte mit dem Ärmel über die Scheibe, die durch seinen Atem
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