Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
Sie sich das vorstellen?“ Er lachte.
„Ungern. Ich sehe Sie lieber bei Leichtathletik-Wettbewerben als in einem Wellnessclub. Obwohl das viele Ihrer weiblichen Fans sicherlich anders sehen. Die würden sich freuen, Sie live beim Fitness oder mit dem Physiotherapeuten sehen zu können.“
Jack lachte erneut. „Das ist gut möglich. Aber Vorsicht: Die Beiträge im ‚Pour Elles‘ sind nicht billig.“
Nun lachte auch der Moderator erneut, wurde aber sofort wieder ernst. „Wie finden Sie denn, dass in diesem Herbst sowohl die ISTAF hier in Berlin als auch die Weltmeisterschaft in Paris stattfinden? Das wird ein dichtes, anstrengendes Programm, besonders für einen Zehnkämpfer wie Sie.“
„Das wird es. Deshalb ist es umso wichtiger, dass ich so schnell wie möglich wieder mit dem konzentrierten Training beginne. Der Herbst kommt schneller, als einem lieb ist. Wer Lust hat, dabei zu sein: In ein paar Wochen findet ein kleines Trainingsmeeting in Berlin im Olympiastadion statt, da werde ich das erste Mal wieder zeigen, dass ich nichts verlernt habe.“
„Danke für den Tipp, Jack. Und danke, dass Sie kurz zu uns kommen konnten.“
„Es war mir ein Vergnügen. Vielen Dank, dass ich kommen durfte.“
„Wir sehen uns spätestens zur ISTAF.“
„Alles klar.“
Jack stand auf, der Schmerz schoss wie ein brennender Pfeil in seinen Oberschenkel, wütete in seinem Knie und zog sich flammend heiß in seinen Unterschenkel, wo er nicht einmal vor dem Fuß Halt machte.
Mühsam die Fassung bewahrend lief er zum Bühneneingang, wo seine Krücke an der Wand lehnte. Wie ein Ertrinkender griff er danach, um sich stöhnend auf sie zu lehnen, sobald er sie in Händen hielt.
„Es war gewagt, von dem Trainingsmeeting zu erzählen, wenn ich mir dich so ansehe“, sagte Lothar.
Jack schüttelte widerwillig den Kopf. „Ich will bis dahin wieder fit sein.“
„Du kannst es nicht erzwingen. Gib dir lieber noch einen Monat Pause, bis dahin ist es wirklich wieder gut.“
Sie hinkten zum Fahrstuhl, der sich vor ihnen öffneten.
„Mir rennt aber die Zeit davon“, rief Jack und warf die Krücke gegen die Fahrstuhlwand. Sie krachte und schepperte und fiel schließlich rumpelnd zu Boden.
Lothar hatte instinktiv den Kopf eingezogen und schüttelte ihn im Anschluss missbilligend. Er verkniff sich jedoch jeglichen Kommentar zu dem Ausbruch.
„Scheiße“, sagte Jack und bückte sich ächzend, um die Gehhilfe aufzuheben. „Verdammte Scheiße.“
Lothar nickte schweigend zustimmend, während der Fahrstuhl leise surrend nach unten fuhr.
VII
Myrtel verabscheute es zutiefst, Fehler zu machen. Sie war eine Person, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, stets sorgfältig und nach bestem Wissen und Gewissen zu arbeiten. Schon im Kindesalter hatte sie ihre Schulaufgaben immer ordentlich erledigt, zur Freude ihrer Eltern. Sie schaffte es zwar nie an die Klassenspitze, sondern kämpfte sich tapfer durchs Mittelfeld, aber das störte sie nicht. Sie war zufrieden mit dem, was sie tat. Während der Ausbildung erlebte sie eine schwere Enttäuschung in Sachen Liebe, so dass ihre Genauigkeit und ihr Eifer ein wenig zu wünschen übrig ließen, aber im Aufbaustudium holte sie alles nach, was sie vergeigt hatte. Leider konnten ihre Eltern ihre Freude darüber nun nicht mehr Ausdruck verleihen, weil sie in der Zwischenzeit ihrem Krebsleiden zum Opfer gefallen waren. Bei der Mutter war es der Brustkrebs mit all seinen Auswüchsen, der ihrem Leben ein Ende setzte, bei Myrtels Vater hatte das Leiden den Darm und alle anderen Verdauungsorgane zerfressen. Es war dann auch diese Krankheit, die Myrtel davon abhielt, sich in ihrer Ehe intensiver um Kinder zu bemühen. Um ehrlich zu sein, klappte es auf natürlichem Wege einfach nicht. Trotz aller Genauigkeit und täglichen Bemühungen wurde Myrtel partout nicht schwanger. Ihr Mann drängte sie, es auch mit künstlichen Mitteln zu versuchen, doch Myrtel sträubte sich dagegen. Für sie war das ein Zeichen, dass eine höhere Gewalt nicht wollte, dass sie Kinder in die Welt setzte. Für Dieter war es allerdings das Zeichen, dass sie nicht zueinander gehörten. Doch wenn sie nach ihrem heutigen Gespräch mit dem Arzt auf die damalige Zeit zurückblickte, war es vermutlich die richtige Entscheidung gewesen. Ihre Kinder hätten ständig eine todgeweihte Frau vor Augen. Und würden vermutlich später einmal genauso krank wie sie.
Wieder hatte sie nach besten Wissen und Gewissen gehandelt, wie
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