Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
viel zutrauen“, warf der Sportler ein. „Wenn Sie wüssten, wie ein Sporttrikot nach mehreren Stunden Training riecht, möchten Sie mit Sicherheit kein Parfüm daraus machen. Höchstens, wenn Sie Frauen vertreiben wollen.“
Wieder lachte das Publikum und die Kameras richteten sich auf Jack.
Diggleston reichte dem Sportler den Flakon. „Was sagen Sie dazu, Jack? Riecht das wie ein altes Sporthemd oder nach sexy Mann?“
Jack öffnete die Flasche, dann sprühte er sich mit der Flüssigkeit die Handgelenke ein und hielt sie sich erwartungsvoll an die Nase.
IV
„In Ihrem Fall wäre es besser, Vermächtnisse auszusetzen. Der Rest steht dann Ihrem Mann als nächstem Verwandten zu – seien es Millionen an Vermögen oder an Schulden. So soll es doch sein, wenn ich Sie richtig verstanden habe?“ Der Notar, ein ältere Herr mit exakt gestutztem Schnauzbart, sah seine Mandantin durch eine getönte Hornbrille fragend an. Sie schien unsicher und nicht genau zu wissen, was sie eigentlich wollte. Ihm machte das nichts aus, er kannte dieses Verhalten von vielen seiner Mandanten, die sich überwunden hatten, ein Testament aufsetzen zu lassen. Und das waren bei weitem nicht nur alte Leute, die sich entschieden, den unbotmäßigen Sohn zu übergehen und stattdessen die Lieblingsenkelin als Erbin einzusetzen. Die meisten hatten nur ganz vage Vorstellungen von den gesetzlichen Vorschriften. Sie ließen sich von ihm beraten, wie sie einen möglichen Pflichtteil umgehen oder wie Erbschaftssteuern gering gehalten werden konnten.
Myrtel warf einen verstohlenen Blick auf ihre Armbanduhr und rutschte auf ihrem Stuhl unruhig hin und her. Sie war mit den Gedanken nicht ganz bei der Sache. Aus gutem Grund. Es war doch später geworden als gedacht, als sie in der Kanzlei eintraf, und dann hatte sie auch noch etwas warten müssen. Jetzt wurde die Zeit knapp.
„Wie gesagt, es geht hauptsächlich um zwei Objekte: einen Ring und ein Stück Land. Den Ring möchte ich der Enkelin meiner Schwester vermachen. Es ist ein altes Erbstück, das seit etwa hundertfünfzig Jahren in Familienbesitz ist – und auch bleiben soll.“
Myrtel zog ein abgegriffenes Etui aus der Tasche und öffnete es. Der Notar trat näher, schob die Brille von der Nase und betrachtete das in dunkelblauen Samt eingebettete Kleinod. Den fingergliedbreiten, silberfarbenen Reif krönte eine Blätterranke, die sich um einen roten Cabochon in Wachtelei-Größe schlang. Bewunderung über die filigrane Ausführung der massiven Fassung spiegelte sich in seinen Augen wider.
„Ein sehr schönes Stück. Der Stein hat mindestens fünfzehn Karat“, bemerkte er sachkundig.
„Nur ist das Schmuckstück fast untragbar, es sei denn als Schlagring, und leider wenig wert“, seufzte seine Mandantin. „Der Stein ist ein nicht ganz reiner Granat. Wertvoll machen den Ring allein sein Alter und die Verarbeitung. Das Material ist eine Silber-Gold-Legierung, ähnlich wie bei Weißgold, nur dass bei diesem Stück der Silberanteil überwiegt. Meine Großmutter hat ihn vor Jahren schätzen lassen und war enttäuscht zu erfahren, dass sie nicht mal achthundert Mark dafür erhalten würde. Aber für uns zählt der ideelle Wert.“
Der Notar nickte verständnisvoll.
„Kein Problem, nur müssten Sie namentlich genau angeben, wer den Ring bekommen soll.“
Er notierte den Namen, den die Mandantin nannte. „Und nun zu der Immobilie. Wie möchten Sie darüber verfügen?“
„Es handelt sich um ein Stück Wiesenland mit ein paar Bäumen drauf. Etwa einen dreiviertel Hektar groß. Es liegt auf Brandenburger Gebiet, direkt hinter der Landesgrenze von Berlin. Darauf steht eine abrissreife Holzlaube. Seit meiner Krankheit haben mein Mann und ich dort nichts mehr gemacht. Es wird alles ganz schön verwildert sein.“
Myrtel seufzte schmerzlich auf, weil sie schon wieder an die ersten Jahre ihrer Ehe denken musste. Weil das Geld knapp war, hatten sie, statt nach Italien in den Urlaub zu fahren, die Laube errichtet und wunderschöne Abende in der idyllischen Natur verbracht. In der Nähe lag ein See, wo Dieter geangelt und den Fang abends auf dem Grill gebraten hatte. Ihre Freunde, damals noch nicht von ihrer Krebserkrankung abgeschreckt, waren am Wochenende gern mit ihren Zelten hinausgekommen. Ganz ungezwungen zu Grillpartys und Tanz. Wie lange lag das alles zurück?
„Schön, schön, wen wollen Sie damit bedenken, Frau Ragewitz?“, riss sie der Notar aus ihrer Versunkenheit.
„Meine
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