Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
Schwester Theresa natürlich, deren Kinder und Enkel. Sie leben in Frankfurt, mitten in der Innenstadt, und wissen die Ruhe und Abgeschiedenheit des Landlebens übers Wochenende bestimmt zu schätzen. Heutzutage ist eine Laube ohne großen Aufwand aufzustellen. Die Gegend ist wirklich wundervoll und die Nähe zu Berlin werden sie auch nicht verachten.“
Der Notar fragte nach Anschrift und Telefonnummer der Schwester und notierte alles gewissenhaft. Dabei bemerkte er, dass die Mandantin erneut unruhig auf die Uhr sah.
„Die Daten der anderen von Ihnen Bedachten werde ich ermitteln. Wenn Sie in einer Woche wieder vorbeikommen, liegt der Testamentsentwurf zur Unterschrift bereit“, sagte er geschäftsmäßig. „Meine Sekretärin ruft Sie an.“
Verabschiedend reichte er Myrtel die Hand. Die wandte sich zur Tür. Die junge Frau im Vorzimmer nickte ihr freundlich zu. Sie bemerkte es nicht, sie hatte den Kampf gegen die Zeit aufgenommen. Nur zehn Minuten blieben ihr bis zum Dienstbeginn. Es war kaum zu schaffen, aber sie würde es zumindest versuchen.
Während sie in ihr inzwischen repariertes Auto stieg, gingen ihr zwei Personen im Kopf herum: diese neue Mitarbeiterin und ihr Ehemann.
Na schön, mit Kiara Jonas würde sie fertig werden, wenn die nicht spurte, landete die schneller als gedacht wieder in ihrem Krankenhaus. Was jedoch Dieter betraf, so fand Myrtel die Idee, ihm einen Haufen Schulden zurückzulassen, immer besser.
V
Der Tag hätte besser beginnen können. Nämlich, wenn Kiara Jonas den Bus bekommen hätte, der sie rechtzeitig ins „Pour Elles“ zu ihrem ersten Arbeitstag bringen sollte. Und wenn sie die Pfütze ausgelassen hätte, in die sie in der Eile getreten war, so dass ihre Hose nass wurde. Jetzt hätte sie gerne auch die Konfrontation mit Myrtel Ragewitz vermieden, die im Gang vor ihrem Büro mit verschränken Armen vor ihr stand und sie missbilligend musterte.
„Der Dienst beginnt eine Viertelstunde früher“, knurrte die Frau die neue Mitarbeiterin an. Sie war zwar auch gerade erst eingetroffen, aber das musste die Neue ja nicht wissen.
„Tut mir leid“, erwiderte Kiara reuig. „Ich habe den Bus verpasst. Es wird nicht wieder vorkommen.“
Die Wahrheit war, dass Kiara den Bus deshalb nicht erwischt hatte, weil sie vor Aufregung die ganze Nacht wachgelegen hatte. Sie zweifelte plötzlich daran, dass sie den Mann entdecken würde, der ihr Leben aus seinen Fugen gerissen hatte. Sie wusste ja nicht einmal, woran sie ihn erkennen sollte. Sie konnte sich nicht an sein Gesicht erinnern, nur an seinen Geruch. Vielleicht war er gar nicht mehr hier. Es gab unzählige offene Fragen und Unwägbarkeiten, und die betrafen erst einmal nur die Suche nach ihm. Was geschah, wenn sie ihn gefunden hatte? Was würde sie tun, wenn er tatsächlich vor ihr stand? Im Geist hatte sie unzählige Varianten durchgespielt, gute, schlechte, in manchen trat die Polizei in Aktion, in anderen gab es ein Messer und viel Blut. Es spielte sich so viel in ihrem Kopf ab, dass sie keinen Schlaf hatte finden können.
„Das hoffe ich auch, dass das nicht noch einmal passiert“, konterte ihre Chefin. „Sie haben ein halbes Jahr Probezeit. Aber wenn es schon am ersten Tag nicht klappt, kann ich diese Probe auch auf eine halbe Woche reduzieren.“
Kiara schluckte. Mit ihrer Chefin war heute offensichtlich nicht gut Kirschen essen. „Bitte stellen Sie mich an, Sie werden sehen, ich arbeite sehr gut. Sie werden es nicht bereuen, mich engagiert zu haben.“
„Das werden wir sehen“, erwiderte die Ältere mürrisch. Sie fühlte sich noch immer unwohl, weil sie gestern Abend zu viel Alkohol getrunken hatte. Der unnütze Brief an ihren Mann lag ihr schwer im Magen, und natürlich der Termin beim Notar. Es war nicht leicht, seinen letzten Willen zu verfassen. Das machte die ganze Angelegenheit um ihre Krankheit so realistisch. Aber das musste Kiara ebenfalls nicht wissen. „Sie können damit beginnen zu kontrollieren, ob in den Behandlungsräumen alles vorhanden ist, was benötigt wird: Handtücher, Massageöl, Reinigungsmittel. Das wäre ein guter Anfang.“ Das war zwar keine Arbeit für eine Frau mit Kiaras Qualifikationen, aber da musste sie durch. „Wir sind fünf Physiotherapeutinnen, die alle bis zum Rand mit Kundenterminen vollgepackt sind. Wir haben leider keine Zeit dafür.“
Kiara runzelte die Stirn. „Soll ich nicht gleich etwas Richtiges machen? Ich könnte den Patienten versorgen, der im Raum 1
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