Tempel der Unsterblichen
keinen solchen Beobachter. Die Kunde, daß die Tyrannen einmal mehr zur Jagd aufgebrochen waren, mußte sich wie ein Lauffeuer verbreitet haben, und so hielt die Angst alle Bewohner der Stadt in ihren Behausungen. In den hintersten Winkeln ihrer Hütten und Häuser mochten sie sich verkrochen haben, bebend vor Furcht und der vagen Hoffnung ergeben, daß die Jäger an ihnen vorüberziehen würden.
Zapata lachte kehlig. Der Gedanke amüsierte ihn, die Jagd selbst verschaffte ihm ein Hochgefühl, wie er es lange nicht mehr verspürt hatte. Sein Blut kroch nicht träge wie sonst durch seine Adern, son-dern floß nunmehr spürbar darin, und etwas wie imaginäres Fieber verschaffte ihm die Illusion von hitziger Erregung, noch genährt von der Aussicht auf einen Erfolg der Hatz.
Ein wunderbares Gefühl war das. Cuyo hatte recht gehabt: Viel zu lange war er, Zapata, nicht mehr draußen gewesen. Beinah hatte er schon vergessen, wie großartig es war, der eigenen Kraft freien Lauf zu lassen und sie zudem noch mit der eines Jaguars zu messen.
Das Tier führte ihn in einen Teil der Stadt, wo sich eine erkleckliche Anzahl von Hütten dichter als anderswo aneinander drängten. Ihr Anblick erinnerte Zapata an verängstigtes Vieh, und tatsächlich roch und schmeckte er die Angst, als atmeten die Mauern aus Erde und Flechtwerk dieses Aroma.
Natürlich wußte Zapata, daß die Quelle dieses Duftes jenseits der Hüttenwände lag. Wie groß mußte die Furcht der Menschen sein, wenn selbst Wände sie nicht halten konnte?
Wieder lachte der Vampir, doch der Laut gerann ihm schon im nächsten Moment in der Kehle.
Der Vorwärtsdrang des Jaguars schwand. Und schon stand das Tier auf der Stelle, wenn auch noch immer erregt, heiser fauchend und grollend und den Kopf hin und her wendend im Versuch, die Witterung von neuem aufzunehmen.
Ohne Erfolg.
Die unsichtbare Fährte schien hier an dieser Stelle zu enden.
Oder sie war - ausgelöscht worden.
Ein Gedanke, der Zapata nicht zum ersten Mal befiel. Schon bei vorangegangenen Jagden war ihm dieser Verdacht mitunter gekommen. Denn nicht jede Jagd war von Erfolg gekrönt gewesen. Ab und an (viel zu oft, gestand er sich ein) waren die Gejagten unauffindbar geblieben. Den Grund dafür hatten die Vampire nie in Erfahrung bringen können. Die Opfer blieben verschwunden - wie vom Erdboden verschluckt .
Zapata hatte in der Vergangenheit intensiv darüber nachgedacht, gewiß angestrengter und länger als seine Brüder und Schwestern.
Und die Ergebnisse, zu denen er dabei gelangt war, wollten ihm ganz und gar nicht gefallen.
Hinter dem unerklärlichen Verschwinden jener, die von der Barriere an einen anderen Ort geschleudert worden waren, schien ihm eine Art System zu stecken, wenn auch eines, das er nicht durchschaute. Es war nur eine unbestimmte Ahnung, die Zapata in dieser Hinsicht hatte, aber sie verursachte ihm ein ungutes Gefühl, und das allein genügte ihm als Beweis, daß es Grund zur Sorge gab.
Seine Geschwister waren der Ansicht, daß die Barriere manche der Flüchtlinge verschlang, um sich deren Energie einzuverleiben. Zapa-ta teilte diese Meinung nicht. Er wußte, daß etwas anderes dahinter steckte. Nur - was?
Und würde dieser Tikal mit seinem Namen die Liste derer verlängern, die verschwunden blieben?
Daran zumindest wollte Zapata noch nicht denken! Immerhin war es gut möglich, daß er in einer der umliegenden Hütten Zuflucht gefunden hatte. Und der Vampir würde in diesem Fall nicht nur ihn, sondern auch jene, die ihm Unterschlupf gewährten, grausam strafen!
Ein kraftvoller Ruck brachte den Jaguar an Zapatas Seite. Er beugte sich zu dem Tier hinab und löste den Strick vom Halsband. Dann schickte er den Jaguar mit gezischtem Befehl los.
Wie von der Feder geschnellt preschte die Raubkatze vor und drang in die nächststehende Hütte ein. Augenblicklich brandete jenseits der Mauern panisches Geschrei auf. Aber es währte nicht lange In jeden Winkel der Hütte drang der Jaguar vor, und Zapata vermochte zu sehen, was auch das Tier sah.
Keine Spur von dem flüchtigen Verräter!
Und was Zapata auch an Möglichkeiten versuchte, die Kreaturen in den Hütten zum Reden zu bewegen, nichts fruchtete. Er erhielt keinen Hinweis auf den Verbleib Tikals, und schon gar nicht fand er den Burschen selbst.
So zogen der Vampir und der Jaguar schließlich von dannen, ohne Erfolg gehabt zu haben.
Nicht jedoch unverrichteter Dinge.
*
Schmerz hatte Tikal in die alles auslöschende Schwärze
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