Tempel der Unsterblichen
wirres Zeug.«
Calot schwieg. Aber Tikal sah, wie etwas in seiner Nähe sich rührte. Calot schien sich erhoben zu haben, und plötzlich wurde es heller um sie her, weil Calot die Quelle des vagen Leuchtens nicht länger verdeckte.
Ein Feuer; oder vielmehr ein Glutherd, der einige Meter entfernt gloste, verursachte den schwachen Schein. Er genügte jedoch nicht, um Tikal wirklich sehen zu lassen. Er erkannte nur einige schattenhafte Gestalten, deren Zahl er nicht einmal abschätzen konnte. Aber sie war groß - größer jedenfalls, als er es in Anbetracht der herrschenden Stille erwartet hätte.
Einer der Schemen - Tikal ging davon aus, daß es sich um Calot selbst handelte - entfernte sich. Er näherte sich dem Glühen, beugte sich dort nieder, dann kehrte er zurück, und er - - brachte etwas von der Glut mit. Einen Stab, der wohl darin gesteckt hatte und aus Metall bestand, denn er glühte in waberndem Rot.
Sekunden später erkannte Tikal, daß es sich dabei um einen schlanken Pfahl handelte - denn Calot brachte das glühende Ding nahe genug an sein Gesicht heran, daß sich der sengende Hauch, der davon ausging, in seine Haut fressen konnte!
»Tu das weg!« verlangte Tikal. »Verflucht, was soll das?«
Im glutroten Schein konnte er Calots Züge nur unter dämonisch anmutender Schminke erkennen. Wie blutbestrichen sahen sie aus und wie die eines Ungeheuers, weil Teile davon im Dunkeln blieben und tiefe Falten sich mit Schatten füllten.
Aber all dies war nichts im Vergleich zu Calots - Augen?
Nein, verbesserte sich Tikal stumm, der andere besaß gar keine Augen!
Wo sie sich einmal befunden hatten, war nurmehr verbranntes Fleisch, narbig und feucht schwärend!
Und plötzlich wußte Tikal, was ihm bevorstand!
»Nein!« Sein Schrei gellte durchs Dunkel.
»Ich sagte ja schon, daß es mir leid tut«, sagte Calot, und sein Bedauern klang zutiefst ehrlich.
Trotzdem stieß er mit dem glühenden Eisen zu!
Licht, wie seine Augen es greller nie zuvor geblickt hatten, blendete Tikal. Und stürzte ihn noch im selben Atemzug in einen Pfuhl feurigster Schmerzen.
Und zugleich in tiefste Finsternis, die nie mehr von ihm wich
*
Zapata kehrte als letzter in den Tempel- und Palastbezirk zurück. Seine Brüder und Schwestern hatten die Jagd bereits vor ihm abgebrochen, wie er erfolglos.
Sie brachten die Jaguare zurück in den Pferch, der genügend Platz bot, um die Tiere bei Bedarf mit lebendem Futter zu versorgen und damit ihren natürlichen Jagdtrieb zu unterstützen. Zapata und die seinen hatten schon manch vergnügliche Stunde damit zugebracht, solcherlei Schauspiele zu beobachten ...
Vielleicht, überlegte der Vampir, sollten sie dies auch jetzt tun. Es wäre gewiß angetan gewesen, sie auf andere Gedanken zu bringen.
Er kam jedoch nicht dazu, den Vorschlag zu äußern. Das Auftauchen eines Priesters hinderte ihn daran, und dessen Anblick ließ ihn den Gedanken ohnedies vergessen.
Der Priester war unübersehbar aufgeregt - einerseits; andererseits nistete auch Angst in seinen bleichen Zügen, als hätte er eine Nachricht zu übermitteln, von der er fürchtete, sie könne ihn den Kopf kosten.
»Was ist?« herrschte Zapata ihn an, seine Beunruhigung mit autoritärem Ton tarnend.
»Herr«, setzte der Priester an, »es ist .« Seine Stimme wollte ihm versagen, oder zumindest wußte er nicht, wie er in Worte fassen sollte, was er zu sagen hatte.
Zapata half ihm auf die Sprünge, indem er die Faust in den Kragen seines Gewandes drehte und den Priester zu sich heran zog. »Hör auf zu stammeln, du Wurm! Sonst stopfe ich dir deine Zunge in den Rachen!«
Er stieß den anderen so heftig von sich, daß der im Staub landete. Ohne sich zu erheben, begann der Priester von neuem: »Herr ... es ist . jemand ist gekommen.«
»Und?«
»Herr, Ihr versteht nicht«, der Priester hob in beschwörend anmutender Geste die Hände, »jemand ist - von draußen gekommen!«
»Von draußen?«
Pomona hatte die Frage hervorgestoßen, entsetzt und ungläubig.
»Das ist unmöglich!« befand Zapata. »Was tischst du uns da für eine Lüge auf?«
»Es ist wahr, ich schwör's bei meiner Treue!« greinte der Priester.
Zapata funkelte ihn an, und die anderen Vampire zogen den Kreis um ihn eng und enger, bis der Atem des Priesters so keuchend klang, als läge eine Schlinge um seinen Hals.
»Ist es - unser Vater?« fragte Zapata schließlich.
Wenn der Priester nicht log - und ein immer stärker werdendes Gefühl verriet dem Vampir, daß
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