Temptation: Weil du mich verführst
diese Information entfallen sein kann.«
»Vorhin. Bevor wir hereingekommen sind«, antwortete sie und deutete zur Tür. »Du hast gefragt, ob ich so was schon mal vorher gemacht hätte, und ich habe gesagt …«
»Ich habe gemeint, ob du schon einmal bestraft wurdest. Ob du schon einmal mit einem Dom zusammen warst. Nicht, ob du schon mal … gevögelt hast«, stieß er hervor, stand abrupt auf und ging aufgebracht vor dem Kamin auf und ab, wobei er sich mit den Fingern durch sein kurz geschnittenes Haar fuhr. Er schien völlig außer sich zu sein.
»Ian, was …«
»Ich wusste, dass es ein Fehler ist«, presste er hervor. »Von Anfang an.«
Ihr blieb der Mund offen stehen. Er hielt das Ganze für einen Fehler? Er wies sie zurück? Jetzt? Eine Flut an Bildern und Gefühlen strömte auf sie ein; Erinnerungen daran, wie ungezügelt sie sich gebärdet hatte, wie sehr sie gefangen gewesen war in ihrer Lust und ihrem Verlangen nach ihm.
In diesem Moment lernte sie ein zweites Mal eine schmerzhafte Lektion aus ihrer Kindheit – eine, auf die sie getrost hätte verzichten können: Es gab wohl nichts Beschämenderes auf der Welt, als sein Verlangen, seine Verletzlichkeit ungeniert zu zeigen, nur um miterleben zu müssen, wie dieses reine, aufrichtige Gefühl mit Füßen getreten wurde, als wäre es ein Stück Abfall.
Tränen schossen ihr in die Augen. Blindlings tastete sie nach der Kaschmirdecke, die auf der Armlehne des Sofas lag, schlang sie um ihren nackten Körper und stand auf. Ian blieb abrupt stehen.
»Was tust du da?«, blaffte er.
»Ich gehe nach Hause«, sagte sie und ging steifbeinig zum Badezimmer.
»Francesca, bleib stehen. Auf der Stelle«, befahl er mit respekteinflößender Stimme.
Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Lodernde Wut und tiefe Demütigung raubten ihr den Atem. »Du hast soeben das Recht verwirkt, mich herumzukommandieren«, spie sie ihm entgegen.
Er wurde blass.
Sie wandte sich gerade noch rechtzeitig von ihm ab, um zu verhindern, dass er die Tränen sah, die ihr über die Wangen liefen. Ian Noble hatte genug Verletzlichkeit für einen Abend gesehen.
Genug für ein ganzes Leben.
KAPITEL 5
Zwei Tage später blickte Ian aus dem Fenster seiner Limousine, als Jacob Suarez die von hübschen Ziegelwohnhäusern gesäumte Straße entlangfuhr. Er hatte in Erfahrung gebracht, dass David Feinstein das Haus von seinen Eltern Julia und Sylvester geerbt hatte, sich jedoch ohne Weiteres selbst ein Heim im begehrten Stadtteil Wicker Park leisten könnte. Feinsteins Kunstgalerie lief ausgezeichnet. Augenscheinlich besaß Francescas Mitbewohner einen erstklassigen Geschmack, gepaart mit einem ausgeprägten Geschäftssinn und einer zurückhaltenden Gediegenheit, die bei vielen reichen Kunstkennern sehr gut ankam.
Abgesehen davon war Ian zugegebenermaßen erleichtert gewesen zu erfahren, dass David – oder »Davie«, wie Francesca ihn nannte – schwul war. Nicht dass die sexuellen Präferenzen ihrer Mitbewohner eine Rolle spielen würden; er hatte bei dem Vorfall im Tattoostudio mit eigenen Augen gesehen, dass sie nichts anfassten, wovon sie lieber die Finger lassen sollten.
Ganz im Gegensatz zu ihm – er hatte sehr wohl etwas angefasst, wovon er lieber die Finger hätte lassen sollen.
Zum tausendsten Mal sah er den schmerzerfüllten Ausdruck auf Francescas Gesicht vor sich, als sie aus seinem Schlafzimmer geflohen war. Wortlos und innerlich vor Wut schäumend hatte er zugesehen, wie sie das Penthouse verlassen hatte. Wie gern hätte er sie aufgehalten, doch ihre sturköpfige Entschlossenheit hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie ihm in diesem Moment ohnehin kein Gehör geschenkt hätte. Er war wütend gewesen. Auf sie, weil sie sich und ihn in diese Situation gebracht hatte, und auf sich selbst, weil er lediglich gesehen hatte, was er hatte sehen wollen.
Ja, natürlich hatte er gewusst, dass sie noch unschuldig war, aber nicht in diesem Sinne des Wortes. Und er hatte gewusst, dass er die Finger von ihr lassen sollte. Ein für alle Mal.
Und trotzdem stand er hier.
Mit resignierter Entschlossenheit klopfte er an die dunkelgrün gestrichene Eingangstür. Warum nur war er regelrecht besessen von dieser Frau? Hatte es etwas damit zu tun, dass Francesca ihn vor ein paar Jahren in einem ihrer Gemälde festgehalten hatte, als er sich unbeobachtet glaubte? Es war nur ein flüchtiger Moment gewesen, dennoch hatte sie seine Stimmung mit beängstigender Präzision auf die Leinwand
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