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Tempus (German Edition)

Tempus (German Edition)

Titel: Tempus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maud Schwarz
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dem Handy am Ohr ging er im Zimmer auf und ab. Wie ich aus ein paar Gesprächsfetzen entnehmen konnte, erörterte er langweilige Probleme mit der Helsingborger Krankenhausverwaltung.
    Eine Ewigkeit verging bis er endlich das Startzeichen gab: »Elina, wir können los! Tut mir leid, dass du so lange warten musstest.«
    »Ich hatte schon Angst, meinen Geburtstag allein auf dem Hotelzimmer verbringen zu müssen«, maulte ich.
    »Nun übertreib mal nicht. Wollen wir uns als Erstes das Kolosseum ansehen?«
    »Ja. Hauptsache raus hier.«
    Erik legte lächelnd den Arm um mich. Sein Kongress begann erst am nächsten Tag, also konnten wir Rom noch ein wenig gemeinsam erkunden. Arm in Arm schlenderten wir zum Kolosseum. Auf den Straßen herrschte ein unbeschreibliches Chaos. Motorroller und Autos bahnten sich hupend ihren Weg. Es wurde geschrien und gestikuliert. Dazwischen jede Menge Fußgänger, die versuchten, todesmutig die Fahrbahn zu überqueren. Ohne nach rechts oder links zu blicken, liefen sie einfach los, darauf vertrauend, dass die Autos rechtzeitig stoppen würden, was diese bemerkenswerterweise auch taten. Erik und ich guckten uns die Augen-zu-und-durch-Strategie bei den anderen ab und erreichten das Kolosseum unfallfrei, was fast an ein Wunder grenzte.
    Ich wurde immer aufgeregter. Rom, die Ewige Stadt! Schon allein der Name löste in mir ein erhabenes Gefühl aus. Staunend legte ich den Kopf in den Nacken: Die Arena, in der früher die Gladiatorenkämpfe stattgefunden hatten, setzte sich aus vier mächtigen Geschossen zusammen. Während die unteren drei Stockwerke aus lauter Rundbögen bestanden, war das oberste Geschoss, abgesehen von kleinen Fensternischen, aus massivem Mauerwerk. Laut Eriks Reiseführer hatte das Kolosseum eine Höhe von achtundvierzig Metern und einen Umfang von fünfhundertsiebenundzwanzig Metern. Unglaublich, wie Menschen es geschafft hatten, ein derart riesiges Bauwerk ohne moderne Hilfsmittel zu errichten.
    »Möchtest du wissen, wie viele Menschen hier ihren Tod fanden? Im Zweikampf oder von Tieren getötet.« Erik blätterte in seinem Reiseführer.
    »Eigentlich nicht.«
    »Nach der Fertigstellung des Kolosseums im Jahr 80 nach Christus starben möglicherweise bis zu fünfhunderttausend Menschen in der Arena. Die letzten Gladiatorenkämpfe fanden vermutlich 435 nach Christus statt«, las Erik ungerührt vor.
    »Danke, jetzt fühle ich mich gleich viel besser«, sagte ich. Seit wir in Schweden lebten, hatte ich eine Vorliebe für Ironie entwickelt.
    Erik setzte sein Oberprofessor-Arzt-Gesicht auf. »Du darfst die Augen nicht vorm Leben verschließen.«
    »Amen.«
    »Nein, im Ernst. Das Leben besteht nicht nur aus Romantik. Es ist hart und häufig unfair. Auch bei uns gibt’s schreckliche Dinge. Denk nur an die Gräueltaten in Afrika, die Armut und den Hunger. Oder an den furchtbaren Krieg in Afghanistan. Jede Ära hat ihre Grausamkeiten. Wir haben uns nur an unsere gewöhnt. Richtig schlimm dürfte es allerdings sein, wenn man zwischen die Zeiten und ihre Grausamkeiten gerät.«
    »Die Gefahr besteht wohl kaum!«
    Als hätte jemand unser Gespräch belauscht und mich eines Besseren belehren wollen, stießen Erik und ich auf einen patrouillierenden Zenturio, der so aussah, als sei er im falschen Jahrtausend gelandet. Er trug braune Sandalen, Beinschienen, eine knielange Tunika mit einem Brustpanzer aus Leder darüber, an dessen Schulterpartien ein roter Umhang befestigt war, und auf dem Kopf einen Helm mit rotem Borstenaufsatz. Drohend hielt er vor dem Eingang des Kolosseums sein Kurzschwert den Touristen entgegen, die daraufhin ihre Fotoapparate zückten.
    »Wie sieht’s aus, Elina? Soll ich ein Bild von dir und dem Legionär da machen?«, fragte Erik.
    »Das ist kein einfacher Legionär. Das ist ein Zenturio«, gab ich mein Referatwissen zum Besten.
    »Ein was?« Erik fingerte in seiner Hosentasche nach seinem Handy.
    »Ein Zenturio. Ein Offizier des römischen Reiches.«
    »Mhm«, machte Erik und schubste mich sanft in Richtung des verkleideten Italieners. Zeitgleich brachte er sein Fotohandy in Anschlag.
    »Ich will nicht fotografiert werden«, wehrte ich ab.
    »Warum nicht? Ist doch lustig.«
    Ich schüttelte den Kopf. Den Möchtegern-Zenturio zu beobachten, war eine Sache. Sich mit ihm fotografieren zu lassen, eine andere. Und zwar eine peinliche. Außerdem schien er sich dafür bezahlen zu lassen. Ich sah, wie einige Touristen ihm Zehneuroscheine überreichten.
    Von rechts und

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