Tempus (German Edition)
einem Palast, stellte ich erstaunt fest. Wohin ich auch blickte, standen kostbare antike Möbel. Dunkle Marmorsäulen, die am oberen Ende mit Gold verziert waren, reckten sich rechts und links von mir in die Höhe. Ich schritt über kunstvolle Steinmosaiken und seidig schimmernde Teppiche. Bunte Freskenmalereien und Marmorplatten schmückten die Wände. Wir kamen an Büsten vorbei, die majestätisch auf Sockeln thronten und zum Teil mit Blumen bekränzt waren sowie an Springbrunnen, die leise vor sich hin plätscherten. Nach einer Weile erreichten wir einen begrünten Innenhof, der wie ein Garten wirkte. Wir ließen ihn rechts liegen und hasteten einen Gang entlang, der kein Ende nehmen wollte. Obwohl das Haus symmetrisch aufgegliedert zu sein schien, hätte ich mich ohne meine Begleiterin innerhalb kürzester Zeit verirrt. Schließlich gelangten wir zu einem weiteren, aber kleineren begrünten Innenhof, den wir durchquerten. Danach bogen wir noch einmal rechts und einmal links ab, bis wir endlich in Marcius’ Zimmer landeten. Vor seinem Bett standen bereits Lucius und Kleon.
»Er hat Fieber und Schmerzen«, empfing mich Lucius mit gedämpfter Stimme. Ich legte meine Hand kurz auf Marcius’ Stirn. Sie glühte. Keine Frage, er hatte Fieber.
»Ich bin kein Arzt. Ich habe es euch gesagt. Wie es aussieht, hat sich die Wunde entzündet.« Hilflos zuckte ich die Achseln.
»Tue etwas dagegen«, befahl Lucius und begann vor Marcius’ Bett auf und ab zu laufen, das im Vergleich zu meiner schlichten Holzpritsche riesig war. Marcius lag schweißüberströmt zwischen seidig schimmernden, safrangelben Decken und Kissen, die mit bunten Fäden und kleinen Perlen bestickt waren. Ich musste unwillkürlich an die kratzige Wolldecke denken, unter der ich vergangene Nacht geschlafen hatte.
Es war sicherlich nicht die beste Gelegenheit, um Bedingungen zu stellen, aber den idealen Zeitpunkt gab es vermutlich sowieso nicht.
»Wenn ich ihn gesund mache, lässt du mich dann gehen?«, fragte ich.
Lucius hielt mitten in seiner Wanderung inne. Sein Gesicht rötete sich. »Unternimm endlich etwas«, drohte er leise, »sonst bleibst du für immer hier!«
Ich schluckte. Mit möglichst fester Stimme sagte ich langsam, nach den richtigen lateinischen Wörtern suchend: »Versprich mir, dass ich gehen darf, wenn ich ihn gesund mache!« Mir war nicht ganz klar, woher ich den Mut nahm.
Lucius machte einen Schritt auf mich zu. Sein Kopf war jetzt hochrot und seine Augen funkelten. Für einen Augenblick fürchtete ich, er würde mich schlagen, so wie Kleon gestern. Doch anders als sein Sklave beherrschte sich Lucius.
»Ja. Du hast mein Wort. Und im Übrigen hast du mich nicht zu duzen, sondern ehrerbietig mit ›Ihr‹ anzusprechen. Nun hilf ihm«, presste er hervor. Im Hintergrund hörte ich Filippa tief durchatmen.
Vorsichtig begann ich, Marcius’ Verband zu lösen. Wie ich befürchtet hatte, klebte er an der Wunde, die sich entzündet hatte. Marcius ächzte und sah mich mit fiebrigen Augen an.
Anschließend durchsuchte ich Eriks Tasche. In einem Seitenfach fand ich Aspirin und eine Salbe, die meine Eltern bei den Kindern in Kenia verwendet hatten, die unter eitrigen Geschwüren litten. Hoffentlich half die Salbe auch bei Marcius.
So gut ich konnte säuberte ich die Wunde und tupfte mit einem Stück Mull die Salbe darauf. Hinterher legte ich einen neuen Verband an.
»Kannst du mir kaltes Wasser und Tücher bringen?«, wandte ich mich an Filippa.
Sie schaute Kleon an, der nach einem kurzen Blickwechsel mit Lucius zustimmend nickte. Auf der Stelle rannte Filippa los. Ich nutzte diesen kurzen Moment der Unruhe und warf heimlich eine Aspirintablette in den Becher mit Wasser, der neben Marcius’ Bett stand. Mit einem zischenden Geräusch begann sie, sich aufzulösen. Das Wasser sprudelte leicht.
»Was hast du da hineingetan?« Kleon war mit einem Satz neben mir und machte Anstalten, mir den Becher aus der Hand zu schlagen.
»Ihr habt doch gesagt, ich soll ihm helfen«, verteidigte ich mich. »Dieses Mittel hilft, sein Fieber zu senken.«
Lucius stellte sich neben Kleon und kaute auf seiner Unterlippe. »Meinetwegen gib es ihm zu trinken«, sagte er nach einigem Nachdenken.
»Es könnte Gift sein«, gab Kleon zu bedenken.
»Das ist kein Gift! Das ist Medizin«, widersprach ich in holprigem Latein.
Marcius’ Vater überlegte erneut ein paar Sekunden. »Trink du zuerst«, verlangte er dann von mir.
Ohne zu zögern, nahm ich einen
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