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Tempus (German Edition)

Tempus (German Edition)

Titel: Tempus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maud Schwarz
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meine neue Freundin.
    »Wie sieht’s aus, wollen wir nach draußen in den Garten?«, fragte ich.
    »Eigentlich passt es mir nicht so gut. Ich muss noch einiges erledigen.« Sie zog nachdenklich die Nase kraus.
    »Muss ja nicht lange sein. Ich brauch einfach ein bisschen frische Luft«, versuchte ich, sie zu überreden.
    »Meinetwegen, aber wirklich nur kurz«, gab sie nach. Wir verließen das Haus durch einen Nebenausgang und setzten uns auf eine marmorne Bank, die mitten auf der Terrasse stand, die von einem kleinen Teich, Blumenkübeln und Zierbüschen umrahmt war.
    Die Sonne stand bereits tief am Himmel und schien uns direkt ins Gesicht. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete ich Lucius’ Anwesen, das sich vor uns wie ein Schattenriss ausbreitete. Ein Hauch von Abschied lag in der Luft. Trotzig verteidigten die Blätter ihre Stellung an den Bäumen und ihr ehemals frisches Grün. Hier und da segelten bereits gelbe und rote Farbtupfer auf den Boden. Der Herbst stand eindeutig vor der Tür. Durch meine unfreiwillige Zeitreise war ich, wie es aussah, um den Sommer betrogen worden, was allerdings mein geringstes Problem war.
    »Die Tunika steht dir. Sie passt zu deiner Augenfarbe«, riss mich Filippa aus meinen Gedanken. Ich strich den grob gewebten, etwas kratzigen Stoff über meinen Knien glatt. Er war hellblau, wie meine Zimmerdecke in Helsingborg. »Danke, dass du mir sie geliehen hast. Meine Sachen waren wirklich mehr als dreckig.«
    »Morgen bekommst du deine Kleider frisch gewaschen wieder; sie sind noch nicht ganz trocken«, sagte Filippa. Obwohl sie nicht viel älter war als ich, war sie eine perfekte Hausfrau. Ich war mir nicht sicher, ob ich sie dafür bewundern sollte.
    »Das ist wirklich nett von dir.« Ich streichelte kurz über ihren Arm.
    Filippa drehte ihren Kopf zu mir und lächelte mich an. »Sehen bei euch eigentlich alle so aus wie du?«
    »Wie meinst du das?«
    Sie nahm eine Haarsträhne von mir in die Hand und wickelte sie sich spielerisch um den Finger. »Haben alle solche hellen Haare und blauen Augen?«
    »Ach so. Nein, nicht alle. Aber viele. Bei uns ist das nichts Außergewöhnliches.« Durch die regelmäßigen Gespräche mit Filippa fiel es mir täglich leichter, mich auf Lateinisch zu verständigen.
    »Ich hätte auch gern so helle Haare«, murmelte Filippa mit einer Wehmut, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass es wirklich meine Haare waren, um die sie mich beneidete.
    »Sei nicht albern«, antwortete ich. »Ich wünschte, ich würde so gut aussehen wie du.«
    Selten zuvor hatte ich jemanden gesehen, der so hübsch war wie Filippa. Sie hatte eine bronzefarbene Haut und lange, schwarze Locken, die am Hinterkopf lose zusammengesteckt waren. Das Schönste an ihr aber waren ihre dunklen Augen. In guten Stunden tanzten darin tausend Sonnen, was meistens der Fall war. Dabei hatte Filippa es in ihrem bisherigen Leben alles andere als leicht gehabt. Ursprünglich stammte sie aus Griechenland, von wo Soldaten sie als kleines Mädchen zusammen mit ihren Eltern verschleppt hatten. Ganz nüchtern hatte sie mir das erzählt. War es gestern gewesen oder vorgestern? Ihre Stimme hatte dabei so unbeteiligt geklungen, als würde sie die Geschichte einer Fremden erzählen. Aber es war ihre Geschichte. Eine, die sie mit Gewalt nach Rom geführt hatte.
    Auf dem Sklavenmarkt waren sie und ihre Eltern wie Vieh zum Verkauf angepriesen worden. Kleon hatte sie eher zufällig im Auftrag von Lucius ersteigert und in dessen Haus gebracht. Kurz darauf waren Filippas Eltern gestorben und Kleon hatte sich fortan wie ein Vater um das Mädchen gekümmert. Da Kleon der engste Vertraute von Lucius war, hatte auch Filippa schon bald eine besondere Stellung im Haus des Senatoren innegehabt.
    »Weißt du eigentlich, dass alle hier über dich sprechen?«, hörte ich Filippa wie aus der Ferne fragen. Ich war mit meinen Gedanken schon wieder auf Wanderschaft. Mein Blick schweifte erneut über Lucius’ Grundstück, das auf dem Palatin lag, der zu Roms sieben Hügeln gehörte. Von unserer Bank aus konnten wir fast den gesamten, von Statuen gesäumten Sandweg überschauen, der sich hoch zum Haus des Senators schlängelte. Die Statuen warfen zu dieser Tageszeit lange Schatten, die sich mit denen der Platanen und Zypressen rechts und links vom Sandweg zu einem bedrohlichen Dunkel vermischten. An welchem dieser Bäume mochte ich wohl gelehnt haben, als mich Kleon gefunden hatte? Und wie lange war das jetzt her? Wenn Lucius

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